Digitaler Ausverkauf: Droht der EU beim Rückzug ihrer Digitalgesetze der Kulturverlust?

Stellen wir uns die Kreativwirtschaft Europas als einen prachtvollen Obstgarten vor. Autoren, Musiker, Filmemacher und Game-Entwickler hegen und pflegen diesen Garten – sie sind seine Gärtner. Um ihre Ernte vor Diebstahl zu schützen, hat die EU in den letzten Jahren digitale Schutzmaßnahmen geschaffen: unter anderem den Digital Services Act (DSA) und die KI-Verordnung (AI Act). Doch nun drohen diese „Zäune“ zu fallen – durch politischen Druck aus den USA.

Dort fordern große US-Tech-Konzerne, dass Europa seine Regeln aufweicht – angeblich im Namen des freien Handels. Der Druck auf die EU wächst, seitdem durch Ex-Präsident Trump verhängte Strafzölle wieder auf dem Tisch liegen. Die Initiative Urheberrecht und prominente Branchenvertreter warnen. Wird der Schutz der Kreativen geopfert, hat das fatale Folgen – nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell und gesellschaftlich.

Schauspieler Hans-Werner Meyer warnt vor massiven Folgen

Eine der Stimmen in dieser Debatte ist Hans-Werner Meyer, bekannter Schauspieler und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Schauspiel (BFFS). Er macht unmissverständlich klar, was auf dem Spiel steht: “Aufgrund der vom US-Präsidenten Trump erhobenen Zölle ist ein Verhandlungsdruck auf die EU entstanden, die die mühsam erkämpften Digitalregulierungen (“Digital Services Act – DSA”) gefährden. Das Interesse der US-Tech-Giganten ist es, diese Regulierungen aufzuweichen und letztlich ganz verschwinden zu lassen. Das aber hätte fatale Folgen für unsere Kreativbranche, für unsere Kultur und für unsere Demokratie.”

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Er verweist auf die zentrale Rolle der Kreativbranche für die deutsche Wirtschaft – sie sei einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige im Land. Diese sei auf ein starkes Urheberrecht angewiesen, das aktuell auch durch die neue KI-Verordnung geschützt werde. Doch aus den USA werde massiver Lobbydruck aufgebaut, um diese Regelwerke aufzuweichen.


Hans-Werner_Meyer

„Das aber hätte fatale Folgen für unsere Kreativbranche, für unsere Kultur und für unsere Demokratie.“

– Hans-Werner Meyer, Schauspieler

“Das Interesse der großen Tech-Unternehmen steht dem entgegen, weil sie wollen, dass KI von urheberrechtlich geschützten Werke lernen kann, ohne dafür zu bezahlen.” Ein solcher Kurs, so Meyer, untergrabe nicht nur die Existenz vieler Kreativer, sondern schwäche langfristig auch die Demokratie.

Die EU darf ihre Standards nicht als Spielmasse im Handelskonflikt mit den USA opfern. Hans-Werner Meyer bringt es auf den Punkt: „Das wäre kein angemessener Preis für die vage Aussicht auf Senkung oder Abschaffung der von Trump erhobenen Zölle, zumal man sich darauf ohnehin nicht verlassen kann. In diesem Punkt muss die EU Stärke und Standfestigkeit beweisen. Daher unser Appell an unseren Bundeskanzler Merz und unsere Wirtschaftsministerin Reiche, sich diesem Druck keinesfalls zu beugen.”

Initiative Urheberrecht stellt klare Forderungen an EU und Bundesregierung

Auch die Initiative Urheberrecht, die mehr als 140.000 Kreative aus Bereichen wie Film, Literatur, Musik, Fotografie, Journalismus, Design und Games repräsentiert, warnt eindringlich vor einem Kurswechsel. In einer aktuellen Stellungnahme fordert sie:

  1. Vollständige Umsetzung des Digital Markets Act (DMA) – ohne Abstriche. Digitale Plattformen müssten sich endlich an EU-Recht halten.
  2. Keine Abschwächung der KI-Verordnung zugunsten von Tech-Riesen aus den USA.
  3. Verteidigung europäischer Grundwerte und Rechtsstaatlichkeit – wirtschaftliche Interessen dürften nicht über allem stehen.
  4. Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas – durch faire digitale Rahmenbedingungen.

Die Initiative sieht darin keine Detailfragen, sondern zentrale Weichenstellungen für die Zukunft europäischer Kultur und Innovation.

Kritik an pauschaler Ablehnung: Suche nach pragmatischer Lösung

Doch nicht jeder in der Branche befürwortet eine grundsätzlich ablehnende Haltung. Ein international erfolgreicher Musikproduzent äußerte im Gespräch: „Amerika will die KI als eine natürliche Person, also als Urheber anerkennen. Und wir in Europa wehren uns dagegen und wollen das unterbinden. Möglicherweise stellen wir uns genau damit aber selbst ein Bein. Vielleicht sollte man eher versuchen eine praktikable Lösung zu finden.“

Sein Vorschlag: Wenn Künstliche Intelligenz Werke nutzt, sollte sie verpflichtet sein, vorher eine Genehmigung einzuholen – und anschließend Lizenzgebühren zu zahlen. So ließe sich eine Balance finden zwischen technologischer Entwicklung und dem Schutz kreativer Leistungen.

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