Seine Kunst ziert die Vogtlandhalle und so einige Häuser in der Stadt wurden von ihm in jungen Jahren mit einem neuen Farbanstrich versehen. Henrik Schrat, gebürtiger Greizer, Wahlberliner, Künstler, Illusionist und doch auch Handwerker.
Grimmsche Märchen neu interpretiert
Mit seinem aktuellen Projekt zog er das Interesse jener auf sich, die ihn bisher vielleicht noch nicht kannten. 240 Grimmsche Märchen in fünf Bänden, innerhalb von fünf Jahren, mit jeweils bis zu 400 Illustrationen. Für die Umsetzung und Finanzierung musste Schrat neue Wege gehen. Geschichten, die nahezu jeder kennt, verpasst er eine neue Sichtweise und damit eine Verbindung aus Realität und Fantasie, Märchenwald und Großstadt, Vergangenheit und Neuzeit. Bei ihm trägt die Prinzessin Turnschuhe, das tapfere Schneiderlein hat das Gesicht von Karl Lagerfeld, die Hexe hat Modelmaße, der Fischer zeigt seiner Frau den Fang vor der Elbphilharmonie und der Teufel zupft sich das goldene Haar, während er eine Thüringer Roster verspeist.
Beteiligung und Finanzierung
Wie das Buch jeweils fertig aussieht, hängt ganz von der Beteiligung neugieriger Menschen ab. So ist es sogar möglich, sich selbst, die Katze oder das eigene Gartenhaus verewigen zu lassen. Eine Art, die Bücher zu finanzieren, genau wie mit dem Verkauf der Bände selbst oder Grafiken und Produkten, die Figuren daraus enthalten. „Es soll schön sein, wertig. Farbige Seiten und ein Buchumschlag, der sich gut in der Hand anfühlt, machen bei steigenden Papierpreisen die Umsetzung nicht gerade leichter“, sagt Schrat, der „Grimmschrat“ als sein Baby bezeichnet, unglaublich viel Leidenschaft hineinsteckt, vor allem aber monatelange Arbeit. Seite für Seite nimmt er sich vor. Liest die Passagen, recherchiert, liest Interpretationen und Sichtweisen, sammelt Ideen und bringt diese dann zu Papier.
Bereits veröffentlichte Ausgaben
Vier Ausgaben sind bereits erschienen. „Schneefall – Himmel und Hölle“ aus 2020, „Dornenrose – Liebe und Kampf“ wurde 2021 veröffentlicht. Ein Jahr später arbeitet der Thüringer am dritten Band. „Lumpengesindel – Tiere und Menschen“ erschien dann Ende 2022. Dafür war er ein paar Tage im Kyffhäuser. „Ich konnte wieder einige Eindrücke neu verbinden. Die Friedrichstraße in der Stadt, in der ich seit 25 Jahren lebe, in die Wälder Thüringens zu transportieren, ist dabei eine mögliche Arbeitstaktik“, sagt Schrat. Das Besondere im dritten Band sind die vielen Vogtlandorte. Das Plauener Rathaus, der Obere Bahnhof, aber auch die Osterburg Weida und seine Heimat Greiz hat er auf die Seiten des Märchenbuches gebannt.
Blaubart – Blut & Dinge
Im vergangenen Jahr folgte dann „Blaubart – Blut & Dinge“. Die Seiten sind in grafische Rahmen gezwängt, ein Gitter bildet sich im Buchschnitt, und es herrscht klaustrophobische Dunkelheit und Enge. Um sich vollkommen auf die Illustrationen der Märchenbände zu konzentrieren, zog sich der Wahl-Berliner erneut allein in eine Hütte zurück. „Ich bin relativ angstresistent, aber dieses Mal musste ich mich über Tage reinbeamen in diese Horrorgeschichten. Das mache ich mithilfe von Gustav Mahler und Metalcore Musik. Da friert man schonmal mental ein und traut sich dann doch nach ein bisschen Rotwein um zwei Uhr morgens nicht mehr nach draußen, wenn die Blase drückt“, berichtete Schrat damals lachend. Für dieses Jahr war die Veröffentlichung des fünften und letzten Bandes geplant. „Zauber & Zukunft – Der Glitzernde“ wird der Titel sein. „Ich bin ungefähr in der Mitte angekommen, doch nun muss ich etwas verkünden. Band 5 wird sich um ein Jahr verschieben“, sagte er nun.
Gastprofessur und politische Ereignisse
Einer der Gründe ist eine erneute Gastprofessur in China, zwei Monate im Frühjahr und zwei im Herbst. Durchaus hätte es der Grimmschrat aber noch geschafft, wäre ihm nicht noch politisch etwas in seiner Heimatstadt dazwischengekommen, von dem an anderer Stelle mehr erzählt wird.
Rückkehr zu den Wurzeln
Gesagt sei nur, im thüringischen Greiz ist im September Landtagswahl. Dort, wo er noch Familie hat und viele Kontakte. Wo er im Zeichenzirkel am Theater Greiz bei Peter Zaumseil zeichnen gelernt und sich der Kunst gewidmet hat und wo er mit handwerklichem Einsatz als Maler die Fassaden der Häuser gestrichen hat, bevor er nach Dresden ging und an der Hochschule für Bildende Künste studiert hat. Es folgten Hochschulen in London bis zum Masterabschluss. Henrik Schrat ist kreativ, stellt aus, bekam mehrere Preise verliehen und hat seit 2019 eben einen Lehrauftrag als Gastprofessor an der Hunan City University in China. Seine Werke sind oft keine, die man mal ebenso von Ort zu Ort tragen könnte. Es sind eher ganze Räume, die er füllt, wie das Wandbild im Casino des Deutschen Bundestages und die Ausmalung der Vogtlandhalle in Greiz.
Wer neugierig geworden ist oder sich die besonderen Märchenbände zu Hause ins Regal stellen möchte, der hilft mit dem Kauf über die direkte Website sozusagen bei der weiteren Umsetzung. Im Übrigen kann man Schrats Schaffen regelmäßig per abonniertem Newsletter oder auf seiner Instagram-Seite beobachten.
Ersatzbüchlein im November
„Als Ersatz für den verschobenen Märchenband gibt es im November ein kleines Ersatzbüchlein. „Das kluge Gretel“, 12 x 12 Zentimeter groß und rot, sehr rot, pink auch, dunkelblau ein wenig. Ich arbeite dran“, verrät er.
Info: Grimmschrat-Webseite
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