Axel Milberg: “Wir wissen doch, dass ein Element des Glücks darin besteht, sich nicht zu vergleichen.”

Titelfoto: Jim Rakete
Man kennt ihn als den charmant-eigensinnigen Kommissar Borowski aus dem Kieler „Tatort“, als klugen Erzähler großer Stoffe oder als Stimme zahlreicher Hörbücher: Axel Milberg ist ein Schauspieler, der mit Sprache lebt. Er spielt, liest, erzählt – immer mit dieser ruhigen Intensität, die man sofort erkennt. Im Dezember kommt Milberg nach Bad Elster und widmet sich dort Thomas Manns Roman Lotte in Weimar. Gemeinsam mit einem Streichquartett lässt er Literatur und Musik in einen Dialog treten.

Herr Milberg, Sie lesen in Bad Elster aus Thomas Manns Roman Lotte in Weimar. Was hat Sie an diesem Stoff besonders gereizt?
Lotte aus Weimar ist für mich Thomas Manns Untersuchung über Goethe – den prominenten Alleskönner seiner Zeit – und über die Reaktion der Menschen um ihn herum, die sich auf ihn beziehen. Sie wollen teilhaben an seiner Größe und leiden zugleich darunter, dass sie von ihren eigenen Möglichkeiten her einen anderen Platz zugewiesen bekommen. Das ist hochinteressant! Und erstaunlich aktuell: Der Vergleich des Einzelnen mit den „Großen“ wird heute über Social Media jedem aufgedrängt, der sich nicht bewusst davon fernhält. Dabei wissen wir doch, dass ein Element des Glücks darin besteht, sich nicht zu vergleichen – sondern auf die eigenen Momente der Zufriedenheit und Heiterkeit zu achten.

Sie werden vom Klenke-Quartett begleitet. Was macht diese Verbindung für Sie besonders?
Die Musikerinnen gründeten ihr Quartett vor 34 Jahren in Weimar – also an jenem Ort, an dem der Roman spielt. Wir lesen auf unserer kleinen Reise auch dort. Und bemerkenswert ist: Thomas Manns Roman konnte erstmals 1939 in Stockholm in deutscher Sprache erscheinen; 1936 hatte Mann im amerikanischen Exil mit der Niederschrift begonnen. Diese Geschichte, diese Schichten – Exil, Erinnerung, Musik – berühren sich. Das Quartett bringt das Weimarische, das Zeitliche, die Melancholie dieser Epoche klanglich ins Heute.

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Parallel zu solchen literarischen Projekten wirken Sie bei Filmproduktionen mit. Dürfen Sie mehr verraten aktuell?
Mein letzter Tatort aus Kiel war ungeheuer erfolgreich – sicher einer der besten. Doch schon eine Woche später, im März 2024, begannen in Budapest die Dreharbeiten zu Vienna Games. Disney+ versammelte europäische Schauspieler, um das Jahr 1814 in Wien zu erzählen – die Zeit, in der das noch nicht gedachte Europa konzipiert wurde. Grenzen, Herzog- und Königreiche wurden neu gezogen, der österreichische Kaiser war Gastgeber, man schlemmte, liebte, intrigierte, hatte viel Spaß – und zwischendurch machte man Politik. Napoleon war besiegt, und man fragte: Wer gibt was, wer bekommt was? Die Drehzeit war ein Fest. Im Herbst desselben Jahres war ich dann zwei Monate in Brasilien, im Cerrado-Urwald, um Verschollen zu drehen – eine dramatische Reise ins Unbekannte, auf der ich meinen verschwundenen Sohn suche. Das ist ein Thriller mit politischem Sprengstoff: Ich entdecke dabei die mafiöse Zerstörung der Wälder, die Gewalt gegen die indigene Bevölkerung, das Geschäft mit angeblich grünem Stahl. Der Film läuft derzeit mit großem Erfolg in der ARD-Mediathek.

Nachgefragt bei…Axel Milberg
Lieblingsessen: Sehr deutsch, zu Hause kommt’s nicht vor, denn die Familie schätzt es nicht so: Psst! Kassler mit Ananaskraut, hmmm… 
Lieblingsmusik: Rachmaninows Klavierkonzerte, auch Chopin’s Klavierkonzerte, Gustav Mahler, 5. Symphonie 2. Satz
Lieblingswort: Lieblingswort hab ich nicht, aber ich sag jetzt mal spontan: „Nichtsdestotrotz“, so häufig sagen die Italiener comunque, was so etwas Ähnliches meint. Ein verbindendes, deeskalierendes Wort.
Lieblingsort: Als Stadt: Venedig Anfang Mai und Lieblingsorte sind für mich durchaus auch Orte, wo ich noch nie war.
Lieblingsmoment: Diese Momente sind einfach nicht bestimmbar, sie überfallen mich Gottseidank eher. Dann aber weiß ich es und spüre, jetzt bin ich gerade sehr happy! Augenblicke, in denen ich vergesse, dass ich älter werde, oder wo mir das sogar egal ist, am Meer oder im Moment einer bestimmten Beobachtung. Eine Erinnerung, das kann alles sein. Ein Duft, sogar Lärm und Geschrei können einen Lieblingsmoment herstellen. Oder: Wenn es allen gut geht, um die ich mir noch gerade Sorgen machte. 

Mehr Infos zum Abend in Bad Elster sowie Tickets HIER.

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