“Alte weiße Frau” Désirée Nick: “Die Feministinnen der Generation Z müssen noch viel von uns lernen!”

Zwischen schillernder Bühnenpräsenz und feingeistiger Provokation: Désirée Nick ist vieles – aber sicher niemals gewöhnlich. Die gebürtige Berlinerin amüsiert und polarisiert. Sie ist ausgebildete Balletttänzerin, studierte Theologie auf Lehramt, ist Entertainerin, Schauspielerin und vielseitige Autorin – eine Kulturschaffende, die sich jeglicher Kategorisierung entzieht.

Ihre spitze, manchmal vielleicht auch scharfe Zunge ist legendär, ihr Humor brillant und unerschrocken. Im Jahr 2023 sorgte sie mit 66 Jahren für Aufsehen und posierte für den Playboy – ein Statement der Eigenmacht und des Altersstolzes.

Am 2. Mai ist sie mit ihrer kabarettistischen Lesung “Alte weiße Frau” im König-Albert-Theater in Bad Elster zu erleben – ein Abend, der alles verspricht, nur keine Langeweile.

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Im Interview spricht sie über kochende Männer, das Dschungelcamp und mangelnde Debattenkultur:

Sie haben ja schon immer laut und deutlich Ihre Meinung kundgetan. Haben Sie das Gefühl, dass man als Frau dabei je nach Alter unterschiedlich wahrgenommen beziehungsweise ernst genommen wird?

Das kommt ja wohl eher auf den Inhalt an. Ich habe mich nie missverstanden gefühlt, im Gegenteil, eher habe ich das Gefühl, dass ich Sprachrohr für eine ganze Generation bin, denn die Kinder der 60er machen über 30 Millionen unserer Bevölkerung aus.

Oder stellt sich vielleicht die Frage, ob man es als Frau mit Meinung sogar fast schwerer hat? Gerade Auge in Auge mit den “alten weißen Männern”?

Ich amüsiere mich über die anmaßende Art und Weise, wie heute jeder sich bemüßigt fühlt, die Stimme zu erheben und das auch noch Verbreitung findet. Dabei beherrscht kaum jemand Debattenkultur, dafür braucht man nämlich Bildung. Am lautesten schreien die Kandidaten, die es “Mobbing” nennen, wenn man sagt: “Deine neue Haarfarbe steht dir nicht.” Das meiste von dem, was kundgetan wird, ist hohles Geplappere und hat wenig Substanz.

Eins Ihrer Bücher ist ja nun auch “Alte weiße Frau”. Ich würde fast behaupten, wir gehen wieder Rückschritte im Umgang der Männer mit Frauen? Wie sehen Sie das?

Das Buch ist meine Antwort auf das Werk “alter weißer Mann”, was ja regelrecht eine Bewegung ausgelöst hat. Da muss ich mich wundern, dass keine der schlauen Moderatorinnen, die bei großen TV-Sendern oder in Talkshows präsent sind, die Stimme erhoben hat zugunsten des eigenen Geschlechtes. Es gibt nämlich wesentlich mehr alte weiße Frauen als Männer, und noch dazu leben Frauen länger. Warum schweigt dann die ach so beflissene Generation der “starken” Frauen, wenn sie von einer Gen-Z-Autorin, nämlich Sophie Passmann, übersehen und diskreditiert wird? Dass so ein Titel nach 50 Jahren Frauenbewegung unkommentiert hingenommen wird, ist tragisch. Also musste ich die Replik dazu schreiben.

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Bühnenprogramm, Bücher, Podcast und Schauspiel – die Liste ist lang. Würden Sie sich auf einen Teil davon beschränken wollen?

Nein, keinesfalls, denn das eine Element beflügelt das andere. Meine Substanz ergibt sich auch daraus, dass alles ineinandergreift. Wenn man so vielseitig talentiert ist, dann hat man auch die Pflicht, das alles zu nutzen und auszuleben.

Ab wann würden Sie selbst sagen, sind Sie in der Öffentlichkeit so richtig wahrgenommen worden, und haben Sie die vergangenen Jahre in all dieser Fülle eher wie eine Art Zeitraffer erlebt?

Natürlich verhilft zur öffentlichen Wahrnehmung nur das Fernsehen, und ohne meinen spektakulären Sieg im Dschungelcamp, wo seinerzeit alle Augen drauf gerichtet waren, hätte man mich sicher nicht flächendeckend wahrgenommen. Meine Sternstunden habe ich vorher schon gehabt und auch meine Community, die mich für meine Soloshows gefeiert hat, aber nichts kann eine mediale Präsenz ersetzen, wenn es um öffentliche Wahrnehmung geht. Heute allerdings hat sich auch das verlagert, und ich glaube, überall wird wahrgenommen, dass diese schnelllebige Zeit an uns vorbeirast wie nie zuvor. Dabei kann Langeweile auch sehr kreativ sein.

Welches Buch müsste unbedingt noch geschrieben werden?

Einfach mal ein Buch, in dem all die Gemeinheiten aufgelistet sind, die viele – auch sehr bekannte Menschen – mir zugemutet haben, die stets danach trachteten, meine Karriere zu verhindern.

Im Oktober erscheint “Nice to meet you Berlin!”. Ihr persönlicher Reiseführer durch Berlin sozusagen. Würden Sie einen ultimativen Tipp geben? Wenn man in Berlin ist, dann…

…sollte man unbedingt die eingetretenen Pfade der üblichen Touristenziele verlassen und erleben, dass Berlin die grünste Metropole der Welt ist und dank seiner Vielzahl von Seen und Wäldern sehr viel Idyll zu bieten hat. Wer auf keinen Fall Berliner treffen will, der muss nach Prenzlauer Berg, da gibt es keine Berliner mehr, und man spricht dort hauptsächlich Englisch, weil man hip sein will – absurd!

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Das aktuelle Buch “Bockwurst & Champagner” ist ja eine Art Bruch? In Berlin würde man ja eher die Currywurst erwarten!? Setzen Sie in der Küche eher auf simpel und gut oder aufwändige Zubereitung?

Es gibt für eine alleinerziehende, freiberufliche Künstlerin keine zeitliche Kapazität, kompliziert zu kochen. Es muss schlicht, praktisch und genussvoll sein, und darauf habe ich mich spezialisiert. Die Zubereitung von Nahrung in Küchenschlachten ausufern zu lassen, wäre so etwas wie ein Hobby, das ich mir nicht leisten kann, aber am Ende heißt das noch lange nicht, dass es besser schmeckt. Meine Rezepte funktionieren und sind ohne übertriebenen Aufwand umsetzbar, darauf kam es mir an. Ich kriege nur Lob von allen Seiten dafür!

Könnte sich ein Mann in Ihr Herz kochen? Was müsste er zubereiten?

Wenn Männer kochen, dann tun sie es ja eher als Hobby und nehmen es nicht als Pflicht. Daher nehmen sie es ganz genau und verwenden auch oft spezielles Zubehör. Wenn es zu hochgestochen ist, mag ich es nicht, dann fühlt man sich ja fast schuldig, wenn man stundenlange Vorbereitung in zehn Minuten verputzt hat. Ein sensationelles Rührei reicht doch aus, wenn der Mann toll ist.

Welche aktuellen Projekte gibt es gerade? Wo kann man Sie sehen/erleben?

Mehr denn je im Fernsehen, denn da bin ich dank der Serie “Dahoam is Dahoam” und meines ZDF-Spielfilms “Keine Scheidung ohne Leiche” so präsent wie nie. Das läuft zufälligerweise alles im Mai, und “In aller Freundschaft” kommt auch noch dazu. Man nimmt mich also flächendeckend als Schauspielerin wahr und nicht im Reality-TV. Darauf habe ich sehr lange gewartet.

Gibt es einen Bezug zum Vogtland? Auftritte? Erinnerungen?

Meine Familie stammt aus Thüringen, und zwar aus Weimar. Das merkt man auch, denn ich bin eine Mitteldeutsche, wenngleich ich in Berlin geboren worden bin, weil meine Großmutter im Krieg dorthin geflüchtet ist. Immer schön dem Bombenhagel entgegen. Daher ist mir der Humor sehr vertraut. Olaf Schubert und Stefanie Hertel, die aus dem Vogtland stammen, mag ich sehr. Man wundert sich stets, wie volkstümlich ich bin, auch wenn das nicht als erstes ins Auge springt.

Nachgefragt bei…Désirée Nick
Lieblingsessen: …leider New-York-Cheesecake
Lieblingsmusik: Disco und Soul
Lieblingswort: Mutschekiepchen
Lieblingsort: Zuhause
Lieblingsmoment: …wenn der Vorhang sich hebt

Mehr über Désirée Nick HIER. Infos und Tickets zur Lesung in Bad Elster HIER.

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