Titelbild: Jürgen Dirrigl – Häufigkeit von Erdbeben im Vogtland
Mit insgesamt 59 Beben in den vergangenen zwei Wochen, darunter zwei mit einer Magnitude über 2, sind die Klingenthaler Schwarmbeben noch immer aktiv. Der 2024er Erdbebenschwarm ist somit der längste, der in den letzten 60 Jahren im Vogtland nachgewiesen wurde. Obwohl die Erschütterungen bislang keine hohen Magnituden erreichten, ist die Hartnäckigkeit und Dauer dieses Phänomens außergewöhnlich.
Infobox: Erdbebenschwarm Vogtland – Ursache und Entwicklungen
In der Geophysik bezeichnet man eine spezielle Art von Erdbebenserien als Erdbebenschwarm oder Schwarmbeben. Dabei kommt es in bestimmten Regionen der Erdkruste innerhalb eines begrenzten Zeitraums zu mehreren Erdbeben. Diese Beben haben in der Regel eine ähnliche Stärke, und ihre Häufung kann von einigen Tagen bis zu etwa einem Jahr andauern.
Häufigkeit von Erdbeben im Vogtland
Der Erdbebenschwarm Vogtland tritt seit dem Jahr 1505 regelmäßig im sächsisch-böhmisch-fränkischen Grenzgebiet auf. Besonders das Egerer Becken, in dem die Städte Cheb und Franzensbad liegen, ist für diese Erdbeben bekannt. Seit 1552 sind Schwarmbeben in der Region historisch gut dokumentiert. Weitere bedeutende Bebenschwärme traten 1626, 1711, 1770, 1824, 1897, 1903 und 1908 auf. Der letzte große Schwarm ereignete sich 1985/86 und umfasste innerhalb von zwei Monaten über 8000 registrierte Beben.
Ursachen des Erdbebenschwarms
Forscher führen die wiederkehrenden Erdbeben im Vogtland auf die vulkanische Vergangenheit der Region zurück. In einer Tiefe von etwa 30 Kilometern befindet sich eine Magmakammer, aus der Fluide wie Wasser und Gase aufsteigen. Diese wandern durch die tektonische Bruchzone, bekannt als Leipzig-Regensburg-Störungszone, und können auf ihrem Weg durch Gesteinsrisse Erdbeben auslösen. Diese Prozesse wirken wie ein Schmiermittel und führen zur Entstehung der Erdbeben.
Aktueller Erdbebenschwarm im Vogtland
Seit dem 18. März 2024 wurde ein neuer Erdbebenschwarm im Raum Klingenthal registriert. Die Epizentren der rund 692 Kleinbeben verlagerten sich von Nový Kostel (Neukirchen) in ein neues Gebiet. Die stärksten Beben erreichten eine Magnitude von bis zu 2,2, und ein Grollen war bis Ellefeld hörbar. Ein Großteil der Beben liegt im Bereich der Mikroseismizität und wurde nicht angezeigt. Ungewöhnlich ist, dass stärkere Beben bislang nicht nachgewiesen wurden.
Erdbeben im Vogtland: Eine kontinuierliche Aktivität mit überraschenden Höhepunkten
In den ersten zwei Wochen im Frühjahr diesen Jahres war der Klingenthal Erdbebenschwarm kaum bemerkenswert. Nur ein Beben erreichte eine Magnitude über 1 und wurde von den Anwohnern leicht verspürt. Dennoch fiel die hohe Dichte an Mikrobeben auf, die im Vergleich zum kleineren Erdbebenschwarm im Dezember ungewöhnlich hoch war. Die Erdbebenaktivität war anfangs vor allem im tschechischen Bublava konzentriert und breitete sich im Laufe der Zeit nach Südwesten aus.
Live-Ticker: Erdbebenschwarm in Klingenthal
Aktuelle 30-Tage-Auswertung klingenthaler Messwerte
Die dynamischen Prozesse hinter den Erdbeben
Schwarmbeben wie der Klingenthal Erdbebenschwarm sind das Ergebnis von Bewegungen von Fluiden in der Erdkruste. Diese natürlichen Gase und Wasser steigen aus einer Tiefe von etwa 30 Kilometern auf und bewegen sich durch Risse im Gestein. Diese Bewegungen fungieren als Schmiermittel, das zu ruckartigen Bewegungen führt, die wiederum als Erdbeben wahrnehmbar sind.
Mit der Verlagerung der Epizentren nach Südwesten nahm die Aktivität des Schwarms zu. Am 1. April begann eine Phase intensiverer Aktivität, die am 10. und 11. April mit zwei Beben der Magnitude 2.7 ihren ersten Höhepunkt erreichte. Diese stärkeren Erschütterungen markierten einen neuen Abschnitt, in dem die Fluide scheinbar in der Grenzregion festsaßen und einen Druckanstieg verursachten, der zu stärkeren Beben führte.
Eine komplexe Verlagerung der Epizentren
Nach dem Höhepunkt Mitte April verschoben sich die Epizentren leicht nach Nordwesten, und die Aktivität kehrte auf das Niveau der ersten Aprilwoche zurück. Obwohl weiterhin viele Mikrobeben registriert wurden – manchmal hunderte pro Tag –, erreichte keines davon die Schwelle, bei der es spürbar oder hörbar gewesen wäre. Die Schwelle für spürbare Beben lag während des Schwarms bei etwa Magnitude 1.6, während akustische Wahrnehmungen bereits bei Magnitude 1.3 möglich waren.
Ein weiterer Wendepunkt folgte am 24. April, als eine erneute Verlagerung der Epizentren nach Nordosten beobachtet wurde. Gleichzeitig begann im äußersten Südosten des aktiven Gebiets, auf tschechischer Seite, ein Anstieg der Mikrobebenaktivität. Ob es sich hierbei um eine Teilung der Fluide auf zwei Störungsabschnitte handelt oder um den Aufstieg neuer Fluide, ist bislang unklar. Am frühen Morgen gab es jedoch erstmals seit zwei Wochen wieder ein spürbares Beben der Magnitude 2.5 im südlichen Cluster.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Ursache des Schwarms
Die Kombination von seismischer Aktivität, tiefreichenden Krustenstrukturen und Vulkanismus im Vogtland ist weltweit einzigartig. Wissenschaftler vermuten, dass eine aufsteigende Magmablase die Ursache für die wiederkehrenden Schwarmbeben im Vogtland sein könnte. Diese Magma, die aus etwa 30 Kilometern Tiefe aufsteigt, könnte durch ihren Druck auf die Erdkruste die regelmäßigen schwachen Erdbeben auslösen. Unterstützt wird diese Theorie durch die ungewöhnlich hohen Anteile an Helium-3-Isotopen, die in den Gasen aus den Mofetten bei Franzensbad gemessen wurden.
Die genaue Lage der vermuteten Magmakammer bleibt jedoch weiterhin ein Rätsel. Selbst mit fortschrittlichen tomografischen Untersuchungen konnte sie bisher nicht lokalisiert werden. Die Signale aus dem Untergrund legen jedoch nahe, dass sie existiert, und ihre Aufspürung könnte ein entscheidendes Puzzleteil zur Erklärung der Schwarmbeben im Vogtland sein.
Weitere Forschungsprojekte zur Erdbebenprognose
Um die Mechanismen hinter den Schwarmbeben besser zu verstehen, läuft derzeit ein Projekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Dabei wird der Einsatz der Seismohydrologie zur Erdbebenprognose im Vogtland erforscht. An verschiedenen Grundwassermessstellen, wie in Bad Brambach und Bad Elster, werden die Grundwasserstände mit der lokalen Seismizität in Beziehung gesetzt. Nach einem starken Bebenschwarm im Jahr 2011 konnte beispielsweise ein drastischer Rückgang des Grundwasserstandes beobachtet werden, der wertvolle Hinweise auf die Vorgänge in der Erdkruste liefern könnte.
Der Klingenthal Erdbebenschwarm hat gezeigt, dass das Vogtland ein äußerst aktives und komplexes seismisches Gebiet ist. Die Forschung steht jedoch noch am Anfang, und es bleibt viel Arbeit, um die genauen Ursachen und Mechanismen der Schwarmbeben vollständig zu verstehen.
Nach 20 Jahren Krieg, Krise und dem Großenganzen journalistisch in das beschauliche Vogtland gewechselt. Ein Momentesammler und Geschichtenerzähler. Neugierig, nahe an den Menschen und manchmal ein bisschen frech. :) Folge mir doch auf X (ehemals Twitter)