Fotografien von Egbert Zinner: Schwarz-Rot-Gold im Alltag neu entdeckt

alle Fotos: Egbert Zinner
Es sind nicht immer die großen Symbole oder wehenden Fahnen, die auf ein Land verweisen. Manchmal sind es kleine, zufällige Momente im Alltag, die plötzlich die Geschichte und Identität einer ganzen Nation in sich tragen. Genau diesen Augenblicken geht der Hamburger Egbert Zinner in seiner Ausstellung an der Volkshochschule Baden-Baden nach. Mit einem feinen Blick und einer guten Portion Humor hat er die deutschen Nationalfarben in Situationen aufgespürt, in denen man sie nicht erwartet – und lädt so dazu ein, Vertrautes neu zu betrachten.

Eine Fotografie-Ausstellung voller Überraschungen

Ob in Kleidungsstücken, in der Natur, an Autos oder im Wasser: Überall entdeckt Zinner Schwarz-Rot-Gold fernab klassischer Symbole. Mit dieser leichten, spielerischen Herangehensweise möchte er zeigen, wie tief diese Farben im Alltag verankert sind.

Die persönliche Geschichte des Künstlers ist eng mit dem Thema verbunden. Geboren 1959 in Thüringen, wuchs Zinner in der DDR auf. Schon in seiner Jugend spürte er, dass er dort nicht dauerhaft leben konnte. Nach der fristlosen Kündigung seines Hoteljobs, weil er als politisch nicht mehr tragbar galt, wurde ihm auch eine Zusage an der Staatsoper Unter den Linden entzogen: „Es wurde uns nahegelegt, von Ihrer Einstellung abzusehen“, hieß es damals.

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Ein Schlüsselmoment sei die Begegnung mit Richard von Weizsäcker gewesen, der ihn „sehr warmherzig ermutigenden Rat“ gab. Nur drei Tage später stellte Zinner seinen Ausreiseantrag, der nach 18 Monaten genehmigt wurde. So kam er 1985 im Alter von 25 Jahren in den “Westen”. „Bis auf die Uhrzeit und die Jahreszeiten war ab dem Moment alles anders“, erinnert er sich. Was blieb, waren Sprache – und die Nationalfarben, die nun nicht mehr von Hammer, Zirkel und Ährenkranz überlagert wurden.

Schwarz-Rot-Gold: Symbol einer bewegten Geschichte

Zinner bezeichnet sich selbst weniger als Fotograf, sondern als Sammler. Neben Motiven wie Zahlen, Buchstaben, Schatten oder Wolken entwickelte er irgendwann einen ganz eigenen „Motiv-Filter“ für Schwarz, Rot und Gelb. „Ich glaube, das erste Foto hierzu entstand beim Blick aus meinem Büro im sechsten Stock, als dazu von der einen Seite ein rotes, von der anderen ein schwarzes Auto ins Bild kam, war ich amüsiert und habe abgedrückt“, erzählt er von den Ursprüngen.

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So begann eine Sammlung, die inzwischen stetig gewachsen ist. Heute muss er nach eigener Aussage oft schmunzeln, wenn er unverhofft die Farbkombination entdeckt – oder sich ärgert, wenn das Motiv verschwindet, bevor er die Kamera zücken kann. „Da ist das Sammler-Herz gerührt, um nicht gleich von bluten zu sprechen“, unterstreicht er.

Die Arbeiten von Egbert Zinner waren bereits in Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Essen, Kassel, Shanghai und Wien zu sehen. Zuletzt zeigte das Bundesarchiv die Fotos in der Erinnerungsstätte für Freiheitsbewegungen in Rastatt. Nun präsentiert die Volkshochschule Baden-Baden e.V. seine Sammlung und lädt Besucherinnen und Besucher dazu ein, den Alltag mit anderen Augen zu betrachten. Die Vernissage zur Ausstellung findet heute Abend statt.

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