Titelfoto: Stephanie Rössel – Anja Werner in ihrem Plauener Atelier
„Wunderschön! Aber man schaut doch für einen kurzen Moment nach oben, ob nicht noch mehr von der Größe vom Baum fallen könnten.“ Ein Kommentar, den Anja Werner kürzlich bekommen hat, als sie das Ergebnis ihrer Arbeit zeigte. Im Status ihrer Profile tauchten überdimensional große Eicheln auf, die auf einer großen Wiese und unter Bäumen als Sitzmöglichkeiten platziert sind. Das war ein Kundenwunsch und hat die Künstlerin bereits zu neuen Skizzen inspiriert.
Foto von Anja Werner von den Eicheln bei der Entstehung und später auf dem Grundstück
Kastanien, Kürbisse, Bucheckern – allesamt sind ihre Ideen und Erfindungen mit dem Namen „Gulliver“. Aus Baumstämmen kann die Bildhauerin diese Früchte des Herbstes zu riesigen Sitzgelegenheiten formen. „Die Eicheln waren einerseits eine sehr dankbare Form. Die glatte Frucht und die raue Schale. Eine besondere Herausforderung waren die beiden zusammenhängenden“, resümiert Anja Werner über die Arbeit mit der Kettensäge.
Ein Blick ins Atelier
Doch nicht nur Kunstwerke, die mit dem Gabelstapler angehoben werden müssen, entstehen im Atelier am Plauener Leuchtsmühlenweg. Rindenstücke, Holzstückchen und Späne fliegen umher, wenn die gebürtige Erzgebirglerin ihrer Kreativität nachgeht. Ihre Werkstatt ist nicht nur Entstehungsort, sondern fast selbst eine kleine Galerie. An den Wänden, in Regalen, entlang der Treppe und auf der Empore stehen und hängen unzählige Kunstwerke. Menschen, die einem Baumstamm entwachsen, Bilder, auf denen sich Fische durch den Wald schlängeln, und ganz viele fröhliche Federviehgesichter schauen einem entgegen.
Kunstwerke mit tierischem Fokus
Fische und Vögel bereiteten Anja Werner schon immer Freude. Im vergangenen Jahr jedoch fiel ihr Fokus auf Enten. Für eine Ausstellung in Mönchgrün im Saale-Orla-Kreis schuf sie einen kleinen Schwarm Laufenten. Diese waren dann kunterbunt und wild verteilt in der kleinen Kirche zu sehen.
Und dann wurden es immer mehr: Kleine und große und Perlhühner mit lustigen Punkten. Nicht zu vergessen die Auguste, die Weihnachtsgans, der sie extra noch einen kleinen wärmenden Schal strickt. Jede ist anders, jede ein Unikat. Und nicht nur hier bekannt und heiß geliebt, sondern auch über den großen Teich hinweg inzwischen begehrt.
Denn auch in diesem Jahr fährt die Wahl-Plauenerin wieder nach Amerika. Bei der Artexpo beispielsweise, zeigte sie dort schon mehrfach ihre Kunst. „Zur Weihnachtsgans gibt es ein kleines Büchlein und die Geschichte. Das lieben die Amerikaner. Für meine bevorstehende Reise habe ich extra Engel mit blondem Haar und Flügelchen gemacht. Zusätzlich zu meinen Krippenfiguren“, zeigt die Künstlerin auf die kleinen Rauschgoldholzengel.
Stephanie Rössel hat die Engel, die Weihnachtsgänse und die Perlhühner fotografiert
Künstlerische Wurzeln und Inspirationen
Schon als Kind hat Anja Werner in Baumrinde Tiermuster gekratzt, später dem Großvater nachgeeifert und Ton bearbeitet. Jedoch habe sie schnell gespürt, dass Holz ihr Material sei, also absolvierte sie eine Tischlerlehre und studierte im Anschluss Holzgestaltung. Während des Studiums gab es einen Aufenthalt in Afrika, wo sie eine besondere Art des Schnitzens erlernte. Neben ihrer eigenen Werkstatt unterrichtet sie im Bereich Gestaltung und lehrt seit 2019 an der Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg. Im Vogtland hat sie in den vergangenen Jahren viel für die Kunstszene getan, beispielsweise durch die Gründung von Vereinen.
Skulpturen, die Kindheitserinnerungen wachrufen
Inspiriert von ihren erzgebirgischen Wurzeln, setzt sie gerade etwas um, was Teil ihrer Kindheit war: Figuren, die am Reck turnen, in verschiedensten Formen und Arten, größer als eigentlich, bunter und individueller. „Dazu gibt es ein kleines Podest zum Hinstellen“, ergänzt die Künstlerin. So können die Turnerinnen und Turner auch einfach angeschaut werden, wenn sie mal nicht wild umher geschleudert werden.
Ausstellung mit Caspar David Friedrich Bezug
Gerade nahm Anja Werner auch an einer Gruppenausstellung in Dresden teil. Unter dem Titel „Nebelme(h)r“ ging es um den deutschen Maler Caspar David Friedrich. Extra dafür hat sie eine „Plastik“ aus drei Figuren entwickelt. Beim Blick von hinten passen sie perfekt zum „Wanderer über dem Nebelmeer“. Läuft man herum, erlebt man eine Überraschung mit sehr durchdachtem Hintergrund.
Wie so oft bei ihren Werken. Da lohnt es sich sogar mal, dem kleinen Holzschaf, auf dem besonders Kinder gerne sitzen, am Schwanz zu ziehen.
Nachgefragt bei…Anja Werner
Lieblingsessen: Eintopf |
Lieblingsmusik: Jazz |
Lieblingswort: wunderbarsehrschön |
Lieblingsort: dazwischen |
Lieblingsmoment: …wenn die Seelen gleich schwingen |
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