Erster Luftangriff auf Plauen jährt sich zum 80. Mal – was Sie darüber womöglich noch nicht wußten

Titelbild: Archiv USAAF – B-17 Bombenwerfer
Der schwere erste Luftangriff auf Plauen im 2. Weltkrieg ist nun 80 Jahre her. Am 12. September 1944 griff die 1st Air Division der 8th Air Force Plauen von 12.50 bis 13.12 Uhr als „Gelegenheitsziel“ an. 30 B-17 Bombenwerfer warfen 82,5 Tonnen Sprengbomben auf die Stadt, wobei insbesondere die Südvorstadt und das Vomag-Gelände betroffen waren. Der Angriff führte zu 130 Todesopfern.

Über 12600 Todesopfer in drei deutschen Städten

Der Angriff auf Plauen war Teil einer breit angelegten Luft-Offensive unter dem Kommando der Royal Air Force. Die Bombardierungen begannen in der Nacht vom 11. auf den 12. September mit massiven Abwürfen auf Darmstadt und gingen als “Brandnacht” in die Geschichte der hessischen Stadt ein. Dem Angriff auf die dichtbesiedelte Innenstadt Darmstadts fielen 11.500 Menschen zum Opfer. Ein Ende fanden die Angriffe dieses Tages dann mit der Zerstörung weiter Teile der Stuttgarter Innen- und Weststadt mit weiteren fast 1000 Todesopfern.

Luftangriff Plauen September 1944
Foto: GNU Free Documentation License – Zerstörte Friedensbrücke 1945
Der 12. Septmber 1944 war für Plauen nur der Anfang des Bomben-Horrors

Im Zweiten Weltkrieg wurde Plauen durch insgesamt vierzehn Luftangriffe von der britischen RAF Bomber Command und der 8th Air Force der United States Army Air Forces (USAAF) schwer getroffen. Zwischen dem ersten Angriff am 12. September 1944 und dem letzten am 10./11. April 1945 bombardierten 1689 schwere Bomber und 50 Schnellbomber die Stadt mit einer Bombenlast von insgesamt 4925 Tonnen.

Die Angriffe richteten sich gezielt gegen Verkehrsanlagen, Industriebetriebe und Wohngebäude, was zu massiven Zerstörungen der Infrastruktur führte. Insgesamt wurden über 2358 Todesopfer registriert, wobei die tatsächliche Zahl aufgrund unvollständiger Aufzeichnungen höher sein könnte. 1284 der registrierten Todesopfer waren weiblichen Geschlechts, das entspricht 54 %. Wie viele Kinder betroffen waren, ist nicht bekannt. Ein Teil der Kinder und Jugendlichen war über die Kinderlandverschickung oder familiäre Initiativen evakuiert worden. Die Stadt erlebte die höchste Bombenlast pro Quadratkilometer unter den sächsischen Großstädten. Etwa 75 % der Gebäude wurden zerstört, und die Bevölkerung sank von 111.000 auf 77.700 bis Juli 1945.

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Blick auf Plauen
Fotos: Stephanie Rössel – Blick auf Rathausturm
Vogtlandmuseum Plauen
Häuser in der Nobelstraße

Viele historische Gebäude in Plauen wurden durch die Luftangriffe schwer beschädigt oder zerstört. Dazu zählen die Johanniskirche, die Lutherkirche und das Schloss der Vögte. Der Wiederaufbau der beschädigten Bauwerke begann unmittelbar nach dem Krieg.

  • Johanniskirche: Am 10. April 1945 wurden durch Bomben das Dach und der Südturm zerstört. Weitere Schäden betrafen das Mauerwerk, insbesondere das Gewölbe und die Ausstattung. Der Wiederaufbau erfolgte von 1951 bis 1963.
  • Lutherkirche: Das Dach wurde durch die Luftangriffe erheblich beschädigt. Der Altar war aus Schutzgründen ausgelagert und blieb erhalten. Der Wiederaufbau begann unmittelbar nach dem Krieg.
  • Konventsgebäude des Deutschen Ordens: Im Jahr 1945 wurde das Gebäude bis auf einige Umfassungsmauern zerstört.
  • Kantorei und Kirchnerei: Diese wurden 1945 bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Die Ruine wurde abgetragen. Erhalten blieben nur die Pforte und einige Teile der angrenzenden Stadtmauer.
  • Hospital St. Elisabeth: 1945 bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Die Ruine wurde 1949 abgetragen.
  • Schloss der Vögte: Am 10. April 1945 bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Der Rote Turm wurde 1954/55 mit einem veränderten Dachabschluss wieder aufgebaut.
  • Dobenau-Gut: 1945 zerstört.
  • Nonnenturm: 1945 stark beschädigt und in den 1950er Jahren restauriert. Die Bastion wurde 1962 abgetragen.
  • Altes Rathaus: 1945 durch Bomben schwer beschädigt. Das Dach wurde stark in Mitleidenschaft gezogen und das Mauerwerk teilweise aufgerissen.
  • Neues Rathaus: 1945 schwer beschädigt.
  • Kreisschulhaus (Schulberg 4): 1945 bis auf die Umfassungsmauern zerstört. Die Ruinen wurden 1953 abgebrochen.
  • Bürgerschule (Syrastraße): 1945 schwer beschädigt und 1948 aus Verkehrsgründen abgetragen.
  • Weisbachsches Haus (Bleichstraße): 1945 durch Bomben mittelstark beschädigt.
  • Wohnhaus Kirchplatz 8: 1945 zerstört, später wurde die Ruine abgetragen und der Keller verfüllt.
  • Wohn- und Geschäftshaus Nobelstraße 9–13: Beschädigt bis zerstört.
  • Wohnhaus Straßberger Straße 13 (Ecke Teichgasse): 1945 beschädigt und wiederhergestellt.
  • Alte Elsterbrücke: Die Südseite wurde durch einen Bombentreffer schwer beschädigt. Eine Tafel an der Brücke aus dem Jahr 2001 informiert: „Im Frühjahr 1945 durch Kriegseinwirkung stark beschädigt.“
  • Syratalviadukt: Durch Bombentreffer schwer beschädigt.

    (Quelle: Heinrich Magirius: Plauen in Schicksale deutscher Baudenkmale im Zweiten Weltkrieg (Hrsg. Götz Eckardt), Henschel-Verlag, Berlin 1978, Band 2, S. 461–463)

Frank Clark, ein amerikanischer Soldat, der als Bordschütze einer „Flying Fortress“ an der Bombardierung der Stadt teilgenommen hatte, entschuldigte sich 1987 für seine Beteiligung an den Angriffen in einem Brief an den damaligen Plauener Oberbürgermeister.

Ziviler Luftschutz verhinderte noch höhere Opferzahlen

Plauen verfügte über 25 Felsenkeller, Stollen und Bunker sowie 20 öffentliche Luftschutzkeller. Größere Industriebetriebe hatten werkseigene Schutzräume, darunter eine ausgedehnte unterirdische Anlage der Vomag, die 7000 bis 8000 Personen aufnehmen konnte. Diese Anlage wurde später von der Roten Armee gesprengt.

Schlosshang Campus Berufsakademie
Foto: Stephanie Rössel – Das Schloss mit dem Eingang zum Luftschutzmuseum
Weshalb galt Plauen als strategisches Ziel?

Plauen, mit seinen damals 111.000 Einwohnern, wurde von den Alliierten seit 1942 strategisch als Großstadt gesehen. Die Stadt war bekannt für ihre sächsische Weißwaren-Industrie und verfügte über eine bedeutende metallverarbeitende Industrie. Wichtige Industriebetriebe wie die Sächsische Zellwolle AG und die Vogtländische Maschinenfabrik („VOMAG“) waren im Süden der Stadt angesiedelt. Der Flugplatz Plauen-Kauschwitz wurde ab 1936 militärisch genutzt, wo ab Ende 1943 die Endmontage von Jagdflugzeugen des Typs Messerschmitt Bf 109 stattfand.

Die Luftangriffe auf Plauen im Detail
TagUhrzeitEinheiten und MethodikBombenart und MengeSchadensgebiete und OpferBewertung des Ergebnisses
12. September 194412:50 bis 13:12 Uhr1st Air Division der 8th Air Force mit 30 B-17, P-47 und P-51, Pfadfinder-Methode, Norden-Zielgerät82,5 Tonnen SprengbombenSüdvorstadt, Reinsdorf, östliche und nördliche Bahnhofvorstadt, Vomag-Gelände; 130 Tote„gering befriedigend“
16. Januar 194512:40 bis 12:53 Uhr36 B-17 der 3rd Air Division der 8th Air Force, H2X-Bodenradar, P-51 Eskorte97,2 Tonnen GP-Sprengbomben und StabbrandbombenOberer Bahnhof, Bärensteinviertel, südliches Haselbrunn, südöstliche Bahnhofsvorstadt, Friedhöfe 1 und 2; 132 Tote
8. Februar 1945Befehl an 8th Air Force und britisches Bomber CommandPlauen als eines der zehn Hauptziele für Angriffe gegen Militärtransporte und Flüchtlinge
23. Februar 194512:03 bis 12:10 UhrOperation Clarion, 110 B-17 der 1st Air Division der 8th Air Force, H2X-Bodenradar325 Tonnen GP-SprengbombenSüdöstliche Bahnhofsvorstadt (Pauluskirchviertel), Syratalgebiet, Westen der Innenstadt; 387 Tote, 147 männlich, 240 weiblich
3. März 194512:03 bis 12:05 Uhr11 B-17 der 1st Air Division der 8th Air Force, H2X-Bodenradar, Norden-Zielgerät27,5 Tonnen GP-SprengbombenKleines Areal nordwestlich vom Oberen Bahnhof, westliches Haselbrunn, Bahnstellwerk, offenes Gelände; 21 Tote
5. März 194511:07 bis 11:41 Uhr24 B-17 der 3rd Air Division der 8th Air Force, P-51 Eskorte, Pfadfinder-Methode, H2X-Bodenradar59 Tonnen GP-Sprengbomben und BrandbombenÖstliche Bahnhofsvorstadt, Altstadt, Krankenhaus-Bereich; 74 Tote, darunter 51 weiblich
17. März 194512:03 bis 13:05 Uhr125 B-17 der 3rd Air Division der 8th Air Force, P-51 Eskorte, Pfadfinder-Methode, H2X-Bodenradar350,9 Tonnen GP-Sprengbomben und SplitterbombenInnenstadt (Rathaus, Lutherkirche), südwestlicher Stadtrand, Ostvorstadt bis Reusaer Wald, Reservelazarett „Erholung“, Wasserbehälter Tauschwitz, Flugplatz Syrau; 52 Tote
19. März 194514:06 bis 14:39 Uhr1st und 3rd Air Division der 8th Air Force, 436 B-17, P-51 Eskorte, H2X-Bodenradar, Norden-Zielgeräte1.103 Tonnen GP-Sprengbomben und SplitterbombenInnenstadt, Süden der Stadt, Südvorstadt bis Taltitz; 394 Tote
21. März 19459:50 bis 10:05 Uhr107 B-17 der 3rd Air Division der 8th Air Force, Norden-Zielgeräte312 Tonnen GP-SprengbombenVomag-Werk, Vomag-Panzerwerk, Umgebung Unterer Bahnhof bis Südvorstadt, Ostvorstadt bis Reusaer Wald, Krankenhaus-Gebiet; 43 Tote
26. März 194514:07 bis 14:14 Uhr und 14:28 bis 15:00 Uhr281 B-17 und 98 P-51 der 1st und 3rd Air Division der 8th Air Force, Norden-Zielgeräte, H2X-Bodenradar734 Tonnen GP-Bomben, Splitterbomben, Stab- und Flüssigkeits-BrandbombenVomag-Panzerwerk total zerstört, Vomag getroffen, andere Industrieanlagen, südliche Altstadt, Südvorstadt; 45 Tote
3./4. April 19450:06 bis 0:24 Uhr8 Mosquitos der No. 8 Group des RAF Bomber Command, OBOE-Zielverfahren7,1 Tonnen SprengbombenInnenstadt; 5 Tote
5. April 194511:37 bis 11:47 Uhr2nd Air Division der 8th Air Force, 151 B-24, H2X-Bodenradar384,4 Tonnen GP-Sprengbomben, Container-, Stab- und Flüssigkeits-BrandbombenAltstadt, übrige Innenstadt, Ostvorstadt bis Reusa, westliche Bahnhofsvorstadt, Syratal; 85 ToteTeilweise Abweichung zum Zielgebiet (Bayreuth)
8. April 194512:13 bis 12:26 Uhr3rd Air Division der 8th Air Force, 86 B-17, P-51 Eskorte258,3 Tonnen GP-Sprengbomben, Container-, Stab- und Flüssigkeits-BrandbombenInnenstadt, Neundorfer Vorstadt, Pauluskirchviertel, westliche Altstadt; 60 Tote, 40 weiblich
9. April 194522:23 bis 22:38 Uhr37 Mosquitos der No. 8 Bomber Group des RAF Bomber Command, OBOE-Zielverfahren51,1 Tonnen Minen- und SprengbombenInnenstadt; 40 Tote
10./11. April 194523:02 bis 23:24 Uhr304 Avro Lancaster und 6 Mosquitos der RAF, unterstützt von 8 radarbestückten Handley Page Halifax1.167,7 Tonnen Minenbomben, Spreng- und BrandbombenFlächenhafte Verwüstungen und Großbrände, besonders in Bärensteingebiet, westliche und östliche Bahnhofsvorstadt, Haselbrunn, Innenstadt, Neundorfer Vorstadt, Hammervorstadt, Ostvorstadt bis Reusa; 890 Tote365 acres (164 Hektar) zerstört
Quelle in Anlehnung an Gerd Naumann (2011)
Gedenkstätten und Veranstaltung zum Jahrestag

Auf dem Hauptfriedhof Plauen Reusa, nördlich des Krematoriums am Hang, befindet sich eine „Grab- und Gedenkstätte für die Bombenopfer der Luftangriffe 1944–1945“ (so bezeichnet auf dem Lageplan des Friedhofs). Die Stätte besteht aus einer Rasenfläche ohne Grabsteine und einem Denkmal mit der Inschrift „Unsere Toten mahnen. 1944–1945. Bannt den Krieg“. Für einen unkundigen Besucher des Friedhofs ist vor Ort nicht erkennbar, dass es sich um ein Gräberfeld für die Plauener Bombenopfer handelt.

Das Luftschutzmuseum „Meyerhof“ in der Syratalstraße, eröffnete 2005 und dokumentiert die Zeit der Luftangriffe mit Exponaten aus dieser Ära. Bis heut zählte das Museum weit über 100.000 Besucher.

Luftschutzmuseum Bombenteppich Plauen
Fotos: Rössel – Eine Installation aus Bombensplittern im Plauener Luftschutzmuseum soll erinnern
Gedenkstätte Bombenopfer Plauen
An der Grab- und Gedenkstätte auf dem Plauener Hauptfriedhof werden jedes Jahr Kränze abgelegt.

Am Donnerstag, den 12. September 2024 17 Uhr Vogtlandmuseum Plauen: Start der Vortragsreihe “Bomben auf Plauen”.
Das Vogtlandmuseum Plauen gedenkt der vor 80 Jahren begonnenen Ereignisse mit einer Vortragsreihe, in deren Rahmen Dr. Martin Salesch (wissenschaftlicher Mitarbeiter des Vogtlandmuseums) das historische Geschehen Stück für Stück nachzeichnen und dabei aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten wird. Veranstaltungsort des Startvortrages ist der Festsaal des Vogtlandmuseums. Der Eintritt beträgt 5 Euro.

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Nach 20 Jahren Krieg, Krise und dem Großenganzen journalistisch in das beschauliche Vogtland gewechselt. Ein Momentesammler und Geschichtenerzähler. Neugierig, nahe an den Menschen und manchmal ein bisschen frech. :) Folge mir doch auf X (ehemals Twitter)