Chris Murray: “Ich habe herausgefunden, dass man einen Bösewicht nie böse spielen darf.”

Wenn Chris Murray die Bühne betritt, wird sie zum Resonanzraum für große Gefühle, innere Kämpfe und musikalische Tiefe. Seit vielen Jahren gehört er zu den prägenden Stimmen der deutschsprachigen Musicalszene.

Der in Braunschweig geborene US-Amerikaner wuchs bis 1978 in Berlin und dann in New York auf, wo er seine Ausbildung an der State University of New York in Fredonia und Purchase absolvierte. Seine Studien im Fach Gesang (zunächst Bariton, später Tenor) und Regie schloss er 1986 ab. Weitere Gesangsstudien im Opernstudio Herta Kalcher in Stuttgart und bei seinem Vater, einem Kammersänger, iin Berlin folgten.

Murray hat sich einen Ruf als Charakterdarsteller erarbeitet. Nun steht er auf der Bühne des Theaters Plauen-Zwickau in der aufwendig inszenierten Produktion von „Der Medicus“ – einem Stück, das von der Suche nach Wissen, Heilung und Menschlichkeit erzählt und heute Abend Premiere feiert. Das Besondere – er spielt mit und führt Regie. Mehr dazu erzählt er im Interview:

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Bei dem Musical „Der Medicus“ führen Sie Regie und spielen auch mit. Machen Sie das oft so?

Ich habe die große Freude gehabt, die Inszenierung zusammen mit Horst Kuppich zu erarbeiten. Wenn ich auf der Bühne stehe, wäre es vermessen gleichzeitig Regie zu führen. Da man ja immer einen anderen Blick auf die Bühne hat von vorne, als wenn man auf ihr steht. Und da habe ich einen wunderbaren Partner in Horst Kuppich gefunden, der einen anderen, aber auch sehr präzisen und genauen Blick für die Bühne hat, wie ich es auch liebe und schätze.  Wir ergänzen uns exzellent. Die Musik des Stückes ist so passend genial und filmmusikmäßig, dass wir beide uns wunderbar von der Partitur inspirieren lassen können.

Wie kam es zu Arbeit am Theater Plauen-Zwickau?

Ich kenne Dirk Löschner und Horst Kuppich noch aus Stralsund und habe sie dort sehr schätzen gelernt. Als dann der Ruf kam nach Plauen zu kommen und kreativ zu sein, bin ich dem gerne gefolgt.

Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Team und dem Ensemble vor Ort?

Das Team und die Mannschaft in Plauen-Zwickau ist einfach wunderbar, denn alle ziehen an einem Strang. Es geht immer um die Sache und darum die Vorstellung besser zu machen.

Sie teilen sich die Regie ja. Ist das immer harmonisch oder gibt es auch sehr konträre Herangehensweisen?

Die Zusammenarbeit mit Horst Kuppich ist wunderbar, da wir immer im Austausch sind und zusammen alle Entscheidungen fällen. Ich kümmere mich gerne um 1000 Kleinigkeiten und Genauigkeiten und Spannungsfelder und er ist unglaublich gut im großen Bogen und die Massen bewegen. Jeder kann so seine Stärken ausspielen – Schulter an Schulter. Es ist ja eine riesige Besetzung und eine große Bühne. Das ist nicht zu unterschätzen.

Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle im „Medicus“ vorbereitet?

Zur Vorbereitung habe ich mich natürlich mit dem Buch beschäftigt, der Geschichte und der ganzen Situation drumherum. Man will ja keinen Geschichtsunterricht betreiben, aber es freut mich immer, wenn wir so genau sein können wie möglich, um die Geschichte dann so klar und emotional wie möglich zu erzählen.

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Foto: Theater Plauen-Zwickau – Chris Murray als Schah in “Der Medicus”

Welche Szene berührt Sie persönlich am meisten?

 Das wunderschöne Schalom Gebet und die herrlichen Duette von Rob und Mary.

Gibt es etwas, worauf das Publikum besonders achten sollte?

Wie erstaunlich privativ die Medizin im Jahre 1000 war. Da waren wirklich unglaublich viel Scharlatane unterwegs. In Europa gab es nicht mal eine medizinische Schule.

Wie muss für Sie die Verbindung von historischen Themen und moderner Musicalmusik sein?

Die Musik funktioniert auf einer emotionalen Ebene und transportiert den Inhalt zum Publikum in einer Art, die Text alleine nicht kann. Die Verbindung zwischen Text und Musik ist der Zauber des Abends im Musiktheater. Sie darf nie zum Selbstzweck werden.

Was fasziniert Sie selbst am Musicalgenre?

Das sie die lebendigste Form des Musiktheaters unserer Zeit ist. Es gibt alles, die volle Bandbreite von dramatisch bis leicht. Oper hat leider den Kontakt zum Publikum verloren und das Musical ist unfassbar breit geworden in seiner Ausdruckspalette.

Gab es in Ihrer Karriere jemals eine Phase, in der Sie daran gezweifelt haben, ob dieser Weg der richtige war – und wenn ja, was hat Sie weitermachen lassen?

Ich hatte das große Glück, immer mit schönen Herausforderungen und neuen Aufgaben konfrontiert zu werden, die mich nicht losgelassen haben. Es ist ein Segen das zu tun, was man gerne macht, denn dieses Glück ist nicht allen beschieden.

Verändert sich Ihre Sicht auf die Welt durch die Figuren, die Sie verkörpern?

Ich versuche mich in jede Figur hineinzuversetzen und sie wahrlich und ehrlich zu verkörpern. Aber am ende des Tages sind es nur Figuren, die ich verkörpere und nicht ich. Interessanterweise habe ich herausgefunden, dass Bösewichter immer denken, dass sie die Guten sind und nur die harten Entscheidungen fällen. Einen Bösen, darf man nie böse spielen, weil er nicht glaubt, dass er böse ist.

Wenn Sie sich entscheiden müssten – Regie oder Darsteller – wäre das überhaupt eine Option?

 Ich hoffe sehr, dass ich bis in das Jahr 3752 spielen und Regie führen kann. ;-)

Die Kulturszene hat in den vergangenen Jahren viele Herausforderungen erlebt. Wie erleben Sie aktuell das Publikum und die Resonanz in Häusern, vielleicht auch im Vergleich zu Plauen-Zwickau?

Die Kulturszene in Deutschland ist ein Schatz, den es zu hüten gilt. Die Auswirkungen die ein Theater auf eine Stadt hat sind riesig. Die Synergie die die Theaterlandschaft bringt ist erstaunlich, da ja so viel daran hängt. Wir Menschen leben nicht nur von Brot alleine. Ich habe etliche Städte erlebt, wo Theater zu reinen Gastspielorten wurden. Das sind im Endeffekt arme tote Orte, die nichts mit der Stadt zu tun haben. Die Künstler landen wie ein Ufo und heben wieder ab. Plauen-Zwickau sollte alles daran setzen das Theater zu schützen und zu erhalten – im eigenen Interesse.

Welche Rolle oder welches Stück würden Sie gern spielen bzw. neu entdecken?

Ach, da gibt es noch so viel was ich gerne machen würde im Opern- und im Musicalbereich. Ich wünschte nur, die beiden Welten würden sich mehr umarmen und nicht so sehr abgrenzen.

Welche aktuellen Projekte gibt es bei Ihnen aktuell bzw. in absehbarer Zeit?

Ich habe ein herrliches Galakonzert in Spanien, mit dem Komponisten vom Medicus. Und dann bin ich am Deutschen Theater in München, als die sarkastisch böse, lustige pflanze im Horrorladen. Regiemäßig mache ich gerade Addams Family für eine deutschlandweite Tour, die auch hier in Plauen im Parktheater gezeigt wird. Also ran an die Karten…

Nachgefragt bei…Chris Murray
Lieblingsessen: …lecker Schnitzel mit Spätzle 
Lieblingsmusik: …alles außer Rap und Acid Metal 
Lieblingswort: …wenn mich meine Familie und meine Kinder zu Hause begrüßen…..
Lieblingsort: …da wo ich mich entfalten und Neues erforschen kann
Lieblingsmoment: …wenn alles funktioniert? Und alle um mich herum glücklich sind.

Mehr zu Chris Murray HIER. Tickets und Infos zur “Der Medicus” HIER.

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