Kristina vom Dorf (de Sachsen-Muddi): “Es wäre furchtbar langweilig, wenn wir alle Hochdeutsch sprechen würden.

Titelfoto: Reinhard Wolf/Christian Verlag
Sie bringt das Dorfgefühl ins Internet und den Dialekt zurück ins Rampenlicht: Kristina vom Dorf, mit bürgerlichem Namen Kristina Zorniger, ist Autorin, Bloggerin und Dialektbotschafterin aus Sachsen.
Geboren in Werdau und aufgewachsen in Langenreinsdorf, hat sie ihre ländliche Herkunft nie abgelegt – im Gegenteil: Sie macht sie zu ihrer Marke.

Mit Büchern wie How to survive auf dem Dorf, Made in Sachsen und ihrem neuesten Werk Sächsisches Allerlei zeigt sie, dass Heimat, Humor und Herzlichkeit zeitlos sind.

Im Gespräch erzählt sie, warum das Dorf für sie mehr ist als ein Ort, was sie an Sachsen liebt – und weshalb Sächsisch alles andere als uncool ist.

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Words and Wonders

Kristina, du nennst dich „vom Dorf“. Was bedeutet das für dich heute?

„Vom Dorf“ ist so viel mehr als mein Künstlername. Meine Herkunft und Kindheit auf dem Dorf haben mich so geprägt, so gut aufs Leben vorbereitet, dass der Name auch ganz viel über mich als Person aussagt. Und mein Dorf, Langenreinsdorf, und der Hof meiner Eltern wird für immer als einziger Ort das Gefühl „Zuhause“ bei mir auslösen. Ich habe in so vielen Städten und Ländern eine Heimat gefunden, aber mein Dorf ist mein Zuhause.

Was macht das Dorfleben für dich aus?

Nachbarn die alles wissen. Nein, es ist natürlich mehr als der typische Dorftratsch am Gartenzaun und das Bier mit dem Nachbar. Dorf ist für mich vor allem Natur, Gemeinschaft, Zusammenhalt und harte Arbeit.

Gibt’s auf dem Dorf ein Geräusch, das du sofort vermisst, wenn du in der Stadt bist?

Die Stille.

Wann hast du gemerkt, dass du deine Herkunft nicht nur leben, sondern feiern willst?

Als ich im Ausland war. In meiner Zeit in Zypern und Dänemark habe ich noch einmal viel bewusster wahrgenommen, dass ich überall zurechtkomme, dass ich mich überall wohlfühlen kann und dass ich auch völlig allein überleben kann. Alles Dinge, die ich auf dem Dorf, durch meine Familie gelernt habe. Auf dem Hof wurde körperlich angepackt, in der Kneipe meiner Eltern habe ich den Umgang mit jeder Art Mensch gelernt und beim Dorffasching habe ich so viel gebraucht, was mir jetzt auf der Bühne weiterhilft. Auf Menschen zugehen ist das A und O, egal wo du bist.

Warst du auch mal längere Zeit nicht in Sachsen? Was fehlt dir da bzw. würde dir fehlen?

Ich war viele Jahre nur für Besuche in Sachsen. Auch momentan wohne ich nicht in Sachsen, was sich aber bald wieder ändern soll. Und natürlich fehlt mir am meisten der Dialekt, das lockere drauf losquatschen un dor annre wees genau wassde meensd un guggd dih nisch bleede an.

Wie kam es dazu, dass du das Landleben und den Dialekt zum Mittelpunkt deiner Bücher gemacht hast?

Das Buch „How to survive Dorf“ war mein erstes Buch und der Wunsch des Verlags. Ich hätte kein besseres Thema für meine Buch-Premiere bekommen können. Die Dialektschiene kam dann durch mein drittes Buch „Made in Sachsen“. Da bin ich im wahrsten Sinne des Wortes reingerutscht. Für die Recherchen zum Buch wollte ich einen Dialektaccount starten, um mich mit anderen Sachsen und Dialektfans auszutauschen, plötzlich waren wir 20.000 Menschen, mittlerweile sind wir auf allen Kanälen 100.000 Leute und ich bin die Sachsen-Muddi. Manchmal frage ich mich selbst, wie das alles passiert ist.

Was inspiriert dich – sind es Beobachtungen, Alltagssituationen, deine Community?

Alles das, ja. Ich bekomme von allen Seiten Vorschläge, nehme aber auch viel mit, wenn ich in meinem Dorf zum Feuerwehrfest oder Dorffest gehe. Auch meine Lesungen in Sachsen inspirieren mich immer wieder, weil ich dort unfassbar viel Austausch mit meinem Publikum habe.

Gibt es Themen, über die du noch schreiben möchtest, aber dich bisher nicht getraut hast?

Ich war kurz davor einen Roman zu schreiben, daraus ist leider nichts geworden, weil ich immer wieder Angebote für andere Bücher bekommen habe. Aber das hole ich irgendwann nach. Und ja, da sind auch noch sehr viele andere Themen über die ich gern schreiben möchte. Aber erstmal kommt nächstes Jahr noch ein Sachsenbuch.

Warum glaubst du, wird Sächsisch oft belächelt?

Weil Sächsisch seit Jahren einen schlechten Ruf hat und wie so oft, machen sich die Menschen kein eigenes Bild, sondern plappern nach, was sie von anderen hören. Sächsisch ist nicht schöner oder schlechter als Bayrisch, Hessisch oder was auch immer. Dialekt ist Dialekt und es wäre furchtbar langweilig, wenn wir alle Hochdeutsch sprechen würden. Ich finde die Wahrnehmung für einen Dialekt steht und fällt auch mit den Personen die ihn sprechen. Triffst du einen sympathischen, herzlichen Sachsen, dann wirst du als Nicht-Sachse den Dialekt ganz anders wahrnehmen als triffst du einen fiesen, mürrischen Sachsen. Das ist dann aber eben bei allen Dialekten so. Wir müssen endlich aufhören uns zu verstecken, Sächsisch ist toll!

Was ist dein Lieblingswort auf Sächsisch, das man einfach nicht übersetzen kann?

Ich glaube man kann alle sächsischen Begriffe ins Hochdeutsch übersetzten, braucht dann aber viel mehr Worte. Zum Beispiel: „Isgladdschdgleiaborkeenbeifall“ heißt übersetzt: „Ich bin wirklich verärgert was du da sagst und werde gleich die Fassung verlieren.

Wenn du jemandem in München oder Hamburg Sächsisch beibringen müsstest – wo würdest du anfangen?

Ich würde mit dem Training für die As und Os anfangen, unschaffbar für Nicht-Sachsen. Dann würden die anderen verzweifeln und wir würden uns darauf einigen, dass jeder in seinem Dialekt weitersprechen darf.

Erzähl doch mal bitte was über das Kochbuch das erschienen ist?

Seit mehreren Jahren hat mich mein Verlag regelmäßig angefragt, ob ich nicht ein sächsisches Kochbuch schreiben möchte. Ich habe immer abgelehnt, weil ich selbst gar nicht kochen kann. Dann habe ich aber auf der Buchmesse meinen Koch Jörg Färber kennengelernt, der bereits drei Kochbücher geschrieben hatte. So stand dem Buch nichts mehr im Wege. „Sächsisches Allerlei“ ist kein normales Kochbuch, es ist so viel mehr. Neben 45 typisch sächsischen Rezepten gibt es Informationen und Geschichten zu den Gerichten. Ich bin durch ganz Sachsen gereist, habe sächsische Erzeuger besucht und erzähle davon. Das Buch ist voll mit Fotos aus der Region, Fotos bei den Erzeugern und Foodfotos. Außerdem haben uns zehn sächsische Promis ihre Lieblingsspeisen und Rezepte verraten. Das Buch ist eine Liebeserklärung an Sachsen und weckt unfassbar viele Erinnerungen.

Nachrichten Vogtland
Foto: K.Schmidsberger – Gunter Böhnke mit Kristina vom Dorf

Warum sollte man am 18.10.2025 unbedingt in die Neue Welt nach Zwickau kommen, wo du mit Gunter Böhnke zu erleben bist?

Gunter Böhnke und ich könnten auf den ersten Blick verschiedener nicht sein. Uns trennen nicht nur viele Jahre, Kilos und Zentimeter, sondern auch die Herangehensweise an den Dialekt. Gunter steht seit vielen Jahren als Kabarettist auf der Bühne, mein Dialektunterricht hat seinen Ursprung im Internet. Er hat nicht mal einen Social Media Account. Und trotzdem eint uns eine Sache: Die Liebe zu Sachsen und zum Dialekt. Ich finde diese Liebe spürt man auf der Bühne. Ich bin unfassbar dankbar mit so einem tollen Künstler und Menschen da oben stehen zu dürfen. Irgendwie haben wir uns gefunden, das bassd einfach wie de Fausd offs Oche.

Nachgefragt bei…Kristina Zorniger
Lieblingsessen: Sushi
Lieblingsmusik: Die Ärzte, Die Toten Hosen
Lieblingswort: Euja
Lieblingsort: Solrod Strand in Dänemark
Lieblingsmoment: meine Geburt
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