Die Schließung der Sternbach-Klinik Schleiz hat die medizinische Versorgung der Region grundlegend verändert. Gleichzeitig wirft der Blick auf die Betreiberstrukturen die Frage auf, wie Verantwortung, wirtschaftliche Steuerung und öffentliche Finanzierung über Standorte hinweg organisiert werden.
Schleiz nach der Klinikschließung – vom Scheitern bis zur Gegenwart
Wer heute durch Schleiz geht, sieht eine Stadt, die auf den ersten Blick medizinisch versorgt wirkt: Hausarztpraxis, Apotheken, Pflegeeinrichtung, Rettungswagen. Was nicht mehr sichtbar ist: Bis Ende August 2024 gab es hier ein Akutkrankenhaus mit Notaufnahme, stationärer Versorgung und angeschlossenen medizinischen Strukturen. Der Verlust dieses zentralen Bausteins erklärt sich nicht aus einem einzelnen Einschnitt, sondern aus einer Entwicklung, die Jahre zuvor begann und deren Folgen bis heute nachwirken.
Um die heutige Lage einordnen zu können, braucht es also einen kurzen Rückblick. Das frühere Kreiskrankenhaus Schleiz war 2021 von einem privaten Betreiber übernommen worden. Die Gesellschaft erhielt im Zuge der Übernahme einen neuen Namen und neue Gesellschafter, blieb rechtlich jedoch dasselbe Unternehmen. Der Fortbestand des Standorts wurde in Aussicht gestellt und in Politik und Verwaltung als mögliche Lösung für eine angespannte Versorgungslage wahrgenommen.
Die der Übernahme zugrunde liegende Betreiber- und Beteiligungsstruktur war Teil eines Unternehmensumfelds, das maßgeblich von Tobias Orthmann geprägt war. Während die operative Geschäftsführung des Klinikbetriebs bei anderen handelnden Personen lag, erfolgten strategische Gestaltung, Vernetzung und wirtschaftliche Steuerung außerhalb des operativen Klinikalltags und ohne öffentliche Präsenz Orthmanns. Diese Struktur war vielschichtig organisiert und nach außen nur begrenzt transparent; ihre konkrete Funktionsweise spielte in der öffentlichen und politischen Debatte zunächst keine erkennbare Rolle.
Erst im weiteren Verlauf zeigte sich, welche Folgen diese Struktur für den laufenden Betrieb hatte: In den folgenden Jahren stiegen Personalstand und Kosten deutlich an, während sich die wirtschaftliche Lage zunehmend verschlechterte. Anfang 2024 beantragte der Träger ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Der Freistaat Thüringen stellte kurzfristig zwei Millionen Euro zur Stabilisierung zur Verfügung. Dennoch wurde im August 2024 entschieden, den Klinikbetrieb einzustellen: Mitte August schloss die Notaufnahme, ein paar Tage später endete die stationäre Versorgung vollständig.

Alltag ohne Krankenhaus – so funktioniert die medizinische Versorgung heute
Seitdem liegt die medizinische Grundversorgung in Schleiz fast ausschließlich in den Händen niedergelassener Praxen. Ergänzt wird die allgemeinmedizinische Versorgung durch einzelne Facharztpraxen, etwa im HNO-Bereich, sowie durch Praxen in den umliegenden Orten.
Dass diese Entwicklung nicht nur als subjektiver Eindruck wahrgenommen wird, bestätigt auch die Stadt Schleiz auf Anfrage des Vogtlandstreichers. Bürgermeister Marco Bias erklärt zur aktuellen Lage: „Die Versorgungslage hat sich dahingehend verschlechtert, dass die Notfallaufnahme mit Röntgen geschlossen wurde. Arztpraxen aus dem ansässigen MVZ (wie die Chirurgische Praxis) sind nicht mehr in Schleiz vertreten.“
Für die Bevölkerung bedeutet das: Hausärztliche Versorgung ist weiterhin erreichbar, Facharzttermine sind jedoch deutlich schwerer zu bekommen als zu Zeiten des Klinikbetriebs. Viele Behandlungen, die früher zumindest angebahnt oder vorbereitet im Krankenhaus stattfinden konnten, müssen heute außerhalb der Stadt organisiert werden.
Kommunale Handlungsspielräume – Hilfe im Kleinen, keine Steuerung im Großen
Die Stadt Schleiz verweist zugleich auf die begrenzten eigenen Zuständigkeiten. Die Verantwortung für die ärztliche Versorgung liege nicht bei der Stadt, sondern beim Landkreis und bei den zuständigen Landesstellen. Die Rolle der Stadt beschränke sich im Wesentlichen auf Abstimmung, Unterstützung und Kontaktpflege.
Konkret habe die Stadt nach der Schließung organisatorisch geholfen, wo es möglich war. „Die Stadt Schleiz organisierte und fuhr durch den Bauhof den Umzug der beiden in Schleiz verbliebenen Praxen vom Krankenhaus in andere Räumlichkeiten“, so Bürgermeister Bias. Eigene gesundheitspolitische Konzepte oder strukturelle Entscheidungen seien damit jedoch nicht verbunden gewesen. Auf die Frage, ob es städtische Beschlüsse oder Planungen zu einem Gesundheitszentrum, Ärztehaus oder neuen MVZ-Strukturen gibt, antwortet Bias unmissverständlich: Nein.
Eine Zwischennutzung statt einer medizinischen Perspektive
Eine zweite tragende Säule ist die Pflege. In Schleiz gibt es weiterhin ein größeres Pflegeheim, dessen Gebäude jedoch sanierungsbedürftig ist. Um die Bewohnerinnen und Bewohner während der Bauzeit nicht verlegen zu müssen, will man das ehemalige Krankenhausgebäude ab dem Jahr 2026 für rund zwei Jahre als Übergangslösung nutzen. Der DRK-Kreisverband Saale-Orla will damit dort sein Schleizer Pflegeheim interimistisch unterbringen, während der bisherige Standort grundlegend saniert wird.

Nach Angaben der Stadt liegt die Verantwortung für die Nachnutzung des Klinikgebäudes formal beim Insolvenzverwalter und der Gläubigerversammlung. Seitens der Stadt gibt es Absprachen zur vorübergehenden Nutzung als Pflegeheim, eine medizinische Wiederbelebung des Standorts sei damit jedoch nicht verbunden. Eine dauerhafte Perspektive über diese Zwischennutzung hinaus ist bislang nicht öffentlich bekannt.
Notfälle bedeuten heute vor allem längere Wege
Am deutlichsten spürbar ist die Veränderung bei Notfällen. Mit der Schließung der Schleizer Notaufnahme entfiel der unmittelbare stationäre Anlaufpunkt vor Ort. Rettungswagen fahren seither in umliegende Kliniken, unter anderem nach Gera, Saalfeld, Plauen und ins oberfränkische Hof oder Naila.
Um die Versorgungslücke zumindest organisatorisch abzufedern, wurde in Schleiz ein zusätzlicher Rettungswagen stationiert, der dauerhaft einsatzbereit ist. Diese Maßnahme verkürzt die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes, ändert aber nichts daran, dass Patientinnen und Patienten nun regelmäßig deutlich längere Wege in Kauf nehmen müssen.
Auch aus Sicht der Stadt ist die Wahrnehmung der Notfallversorgung seit der Klinikschließung uneinheitlich. Bürgermeister Bias spricht von „unterschiedlichen Rückmeldungen und Auffassungen der Bürgerinnen und Bürger, je nach eigenem Erleben und Empfinden“ – ein Hinweis darauf, dass belastbare, systematische Auswertungen bislang fehlen.
Dass diese Verlagerung selbst jedoch nicht nur abstrakt ist, zeigen Zahlen aus der Klinik Naila. Nach Angaben der Kliniken Hochfranken stieg der Anteil von Patientinnen und Patienten aus dem Saale-Orla-Kreis in der dortigen Notaufnahme nach der Schließung des Klinikums Schleiz von zuvor rund 15 Prozent auf etwa 25 Prozent. „Die Anzahl der Patientinnen und Patienten aus dem Saale-Orla-Kreis, die seit August 2024 in der Notaufnahme in Naila behandelt werden, ist deutlich angestiegen“, teilten die Kliniken Hochfranken mit. Damit kommt inzwischen jeder vierte Notfallpatient in Naila aus Thüringen.

Belastungen für Klinik und Rettungskette
Der Anstieg der Patientenzahlen wirkt sich nach Angaben der Kliniken Hochfranken nicht nur auf die Zentrale Notaufnahme aus, sondern auch auf den stationären Bereich und die Funktionsabteilungen. „Durch den stetigen Zuwachs der Patientenzahlen werden vor allem die personellen Ressourcen in der Notaufnahme, aber auch im stationären Bereich und in den Funktionsabteilungen stärker beansprucht“, erklärte der Klinikverbund. Anpassungen der Personalstärke erfolgen je nach Bedarf. Die Wartezeiten hätten sich insgesamt nicht wesentlich verändert, die Behandlung erfolge weiterhin nach medizinischer Dringlichkeit. Erschwert werde die Zusammenarbeit zusätzlich durch nicht kompatible Voranmeldesysteme zwischen den Bundesländern.
Die Klinik Naila ist Teil eines kommunalen Klinikverbundes und wurde in den vergangenen Jahren umfassend modernisiert, unter anderem mit einer neuen Notaufnahme, einem modernen Herzkatheterlabor, einer zertifizierten Chest-Pain-Unit, einer neuen Endoskopie sowie einem neuen Bettenhaus mit Intensiv- und IMC-Station. Der Großteil dieser Investitionen erfolgte nach Angaben der Kliniken Hochfranken über öffentliche Investitionsförderprogramme, ergänzt durch Eigenmittel des Trägers.
Gleichzeitig weisen die Kliniken darauf hin, dass der Betrieb einer Notaufnahme mit hohen Vorhaltekosten verbunden ist und die zur Verfügung stehenden Mittel nicht kostendeckend seien. Das steigende Notfallaufkommen aus dem Saale-Orla-Kreis stelle daher keine wirtschaftliche Entlastung dar, sondern erhöhe den strukturellen Druck.

Wie das ehemalige Klinikgebäude politisch instrumentalisiert wurde
Parallel zur Diskussion um die Versorgung entwickelte sich im Jahr 2025 eine öffentliche Debatte über die Zukunft des ehemaligen Krankenhausgebäudes. Landkreis und Stadt suchten sachlich nach einer medizinischen Anschlussnutzung, etwa in Form eines Gesundheits- oder Versorgungszentrums. Mutmaßungen das Gebäude könne als Unterkunft für Geflüchtete genutzt werden, wurden seitens des Landkreis ausgeschlossen.
Gesundheitspolitische Antworten mit offenem Ausgang
Im Laufe des Jahres 2025 rückte die strukturelle Betrachtung der Gesundheitsversorgung stärker in den Fokus der Kreispolitik. Der Saale-Orla-Kreis brachte ein übergeordnetes Gesundheitskonzept auf den Weg und beschloss, die medizinische Versorgung regelmäßig im Kreistag zu thematisieren. Ziel ist es, insbesondere die ambulante Versorgung zu stabilisieren und perspektivisch neue Ärztinnen und Ärzte für die Region zu gewinnen. Als Teil dieses Ansatzes wurde die Möglichkeit geschaffen, einen sogenannten Arztlotsen oder Ärztescout einzusetzen.
Offen bleibt allerdings, wie substanziell diese Bemühungen bislang sind. Bekannt ist weder die Einsetzung eines unabhängigen medizinischen oder gesundheitsökonomischen Expertenrates noch die Beauftragung externer Fachgutachten, wie sie in vergleichbaren Regionen genutzt werden. Dabei liegen seit Jahren belastbare Erkenntnisse vor, welche Maßnahmen im ländlichen Raum wirksam sind. Dass diese Optionen bislang nicht systematisch verfolgt oder in einen verbindlichen Umsetzungsplan überführt wurden, lässt Zweifel daran zu, ob tatsächlich ein ernsthaftes Interesse besteht, alle verfügbaren Instrumente zu nutzen, um einen tragfähigen Strukturumbau auf den Weg zu bringen.
Die Stadt Schleiz selbst sieht ihre Rolle dabei vor allem unterstützend. Der Bürgermeister verweist auch hier auf die formale Zuständigkeit. Als Kommune könne man lediglich flankieren – etwa durch Hilfe bei der Standortsuche für Praxen oder durch weiche Standortfaktoren. Was sich aus Sicht der Stadt jedoch klar abzeichnet, ist der Handlungsdruck. „Die Einrichtung einer Notfallversorgung ist der am meisten geäußerte Wunsch der Schleizer“, so Bias.
Die berufliche Situation der ehemaligen Klinikbeschäftigten
Für die rund 200 Beschäftigten der ehemaligen Schleizer Klinik hat sich die Lage seit Herbst 2024 weitgehend stabilisiert. Ein großer Teil fand neue Arbeitsplätze im Gesundheits- und Pflegebereich, häufig in Einrichtungen der Region oder in genau jenen Kliniken, in die heute auch Schleizer Patientinnen und Patienten gebracht werden. Fachpersonal ist damit nicht vollständig verloren gegangen, sondern hat sich räumlich verlagert.
Stand Dezember 2025 lässt sich die Lage so zusammenfassen: Schleiz ist nicht ohne medizinische Versorgung, aber deutlich anders angebunden als früher. Die Versorgung ist fragmentierter, Notfallstrukturen sind ausgelagert, und die Verantwortung für deren Finanzierung liegt nun zu einem erheblichen Teil außerhalb des eigenen Landkreises.
Und was macht eigentlich Tobias Orthmann und das in Schleiz aufgebaute Netzwerk heute?
Wie das Schleizer Konstrukt funktionierte – wie er es verlagert und bis heute daran partizipiert
Als die Sternbach-Klinik in Schleiz im Sommer 2024 endgültig schloss, war die öffentliche Debatte zunächst geprägt von regionaler Betroffenheit, politischer Sprachlosigkeit und der Frage, wie es so weit kommen konnte. Dabei war das, was später als Problem sichtbar wurde, bereits lange zuvor angelegt. Die Unternehmensstruktur, mit der das Krankenhaus übernommen und geführt wurde, ist dem von Orthmann aufgebauten Netzwerk zuzuordnen und öffentlich einsehbar.
Während der operative Klinikbetrieb jeweils von eingesetzten Geschäftsführungen verantwortet wurde, lag die strategische und wirtschaftliche Steuerung dieses Konstrukts bei Orthmann, der vor Ort und im Versorgungsalltag kaum wahrnehmbar war. Beteiligungsgesellschaften, ausgelagerte Verantwortlichkeiten und eine klare Trennung zwischen medizinischem Betrieb und organisatorischer Steuerung gehörten zum prägenden Merkmal dieses Modells – schon vor Übernahme damals sichtbar.

Warum nicht das Netzwerk endet, sondern der Standort
Die Insolvenz des Schleizer Krankenhaus machte zudem sichtbar, dass nicht das Netzwerk als solches scheiterte, sondern der operative Standort. Während die Versorgungseinheit insolvent wurde und die Bürgerinnen und Bürger ihr Krankenhaus verloren, blieben die übergeordneten Strukturen bestehen und konnten andernorts weitergenutzt werden.
Orthmann blieb im Hintergrund als Akteur im Gesundheitssektor aktiv. In verschiedenen Regionen wurden neue Versorgungsprojekte verfolgt oder bestehende Einrichtungen übernommen, die erneut in vergleichbare Netzwerkstrukturen eingebettet waren.
Worum es bei solchen Netzwerken wirklich geht – und warum das jeder verstehen kann
Kennzeichnend für solche Netzwerke ist eine klare Trennung: Behandelt wird vor Ort, alles rund ums Geld – Verträge und Entscheidungen, läuft über andere Firmen im Hintergrund. Im Gesundheitswesen fließt viel öffentliches Geld: Fördermittel, Zuschüsse, Ausgleichszahlungen. Dieses Geld geht zunächst an den Klinikbetrieb. Dort entsteht Umsatz – Tag für Tag, Patient für Patient.
Genau an dieser Stelle setzt das System an. Der Klinikbetrieb bleibt vor Ort, mit Personal, Stress, Verantwortung und Risiko. Darum herum entstehen weitere Firmen. Diese Firmen erledigen Dinge, die jedes Krankenhaus braucht: Geschäftsführung, Verwaltung, Abrechnung, IT, Beratung, Miete. Für all das stellen sie Rechnungen. Monat für Monat. Das Geld verlässt so Schritt für Schritt die Klinik. Ganz offiziell über Verträge und Rechnungen. Die Klinik trägt die Arbeit. Die anderen Firmen bekommen das Geld.
Ob das Krankenhaus am Ende Gewinn macht oder pleitegeht, ist dabei zweitrangig. Entscheidend ist, dass der Betrieb läuft – denn nur solange er läuft, fließen auch die Rechnungen im Netzwerk. Bricht der Standort zusammen, verschwindet das Krankenhaus. Das Netzwerk bleibt wirtschaftlich funktionsfähig und kann andernorts neu ansetzen.
Möglich wird das, weil der Staat den Klinikbetrieb stützt. Öffentliche Gelder gleichen Verluste aus, sichern Strukturen ab und halten den Betrieb am Laufen. Diese Mittel landen so indirekt auch bei den Firmen, die rund um das Krankenhaus arbeiten – ohne selbst medizinisch zu versorgen.
Das alles ist rechtlich erlaubt. Aber es zeigt ein Grundproblem: Öffentliche Gelder sichern die Versorgung – und können zugleich Teil eines Systems werden, das wirtschaftlich davon lebt. Wer so ein Netzwerk baut, braucht keine gut laufende Klinik. Er braucht eine Klinik, die am laufen gehalten wird.

Holzminden als Fortsetzung eines bekannten Systems
Vor diesem Hintergrund richtet sich der Blick inzwischen auch auf Holzminden – nicht, weil dort ein grundsätzlich neues Versorgungsmodell entstanden ist, sondern weil sich nach öffentlich zugänglichen Register- und Satzungsunterlagen erneut eine Struktur zeigt, in der sich die Steuerungshoheit auf Orthmann zentriert und die in ihrer Logik an Schleiz erinnert. Wie diese Steuerungshoheit konkret organisiert ist, zeigt sich auf Ebene der Gesellschaftsunterlagen.
Die Satzung und der Gesellschaftsvertrag der MVZ Weserbergland GmbH belegen ein strikt privatwirtschaftlich organisiertes, konzernartig aufgebautes Unternehmens- und Beteiligungskonstrukt, in dem medizinische Versorgung und wirtschaftliche Steuerung bewusst voneinander getrennt sind. Vorrangige Versorgerin der Gesellschaft ist die RGZ Holzminden GmbH; kommunale Stellen sind weder beteiligt noch verfügen sie über formale Kontroll- oder Mitspracherechte. Entscheidungen über Struktur, Verträge, Gewinnverwendung und strategische Ausrichtung liegen vollständig innerhalb dieses Unternehmensverbunds.

Der Gesellschaftszweck ist weit gefasst und erlaubt nicht nur den Betrieb eines oder mehrerer Medizinischer Versorgungszentren, sondern auch Beteiligungen an weiteren Unternehmen, die Gründung von Tochtergesellschaften sowie die wirtschaftliche Nutzung des Gesellschaftsvermögens. Die Gesellschaft ist damit nicht auf eine konkrete lokale Versorgungssituation festgelegt, sondern als skalierbare Struktur angelegt, die unabhängig vom jeweiligen Standort erweitert und umgebaut werden kann.
Verhindert werden können solche Konstruktionen nämlich nur dort, wo die Entscheidung fällt, ein Krankenhaus aus öffentlicher Verantwortung zu geben: bei Kommunen und Landkreisen. Sie tragen die Verantwortung dafür, wem sie einen hochsensiblen, überwiegend aus Steuergeldern finanzierten Bereich überlassen. Dazu gehört die Pflicht, genau hinzuschauen, wer als Betreiber auftritt, welche Strukturen dahinterstehen und wie Geldflüsse organisiert sind.
In der Praxis geschieht das jedoch nicht immer mit der nötigen Tiefe. Der politische und administrative Druck ist hoch, defizitäre Kliniken binden Zeit, Geld und Erklärungsaufwand gegenüber der Bevölkerung. Wer in dieser Situation als vermeintlicher Retter auftritt, nimmt den Verantwortlichen kurzfristig eine schwere Last ab. Genau darin liegt das Risiko: Wird diese Entlastung höher gewichtet als eine gründliche Prüfung, wird nicht nur die Klinik abgegeben – sondern auch die Kontrolle über öffentliche Mittel und die langfristige Verantwortung für die regionale Gesundheitsversorgung.
Auch hierfür liefert Holzminden nach den vorliegenden Antworten der kommunalen Verwaltung ein aufschlussreiches Beispiel.
Auf Presseanfragen erklärte der Landkreis Holzminden im Dezember 2025 schriftlich, er könne und wolle keinerlei Aussagen zu Betreiber-, Beteiligungs- oder Vertragsstrukturen des Regionalen Gesundheitszentrums machen. Das Regionales Gesundheitszentrum (RGZ) im Unternehmensverbund, der Tobias Orthmann zugeordnet ist, sei lediglich Mieter beziehungsweise Teilmieter im von Stadt und Landkreis übernommenen Gebäudekomplex; interne Strukturen seien nicht Angelegenheit der Kommune. Gleichzeitig erklärte der Landkreis ausdrücklich, weder Stadt noch Landkreis würden „öffentliche Mittel, Zuschüsse oder Ähnliches in das RGZ geben, um den Betrieb zu unterstützen“.
Diese Aussage wirkt auf den ersten Blick eindeutig – ist jedoch erklärungsbedürftig: Stadt und Landkreis Holzminden haben das ehemalige Krankenhaus gemeinsam übernommen und nach eigenen Angaben jeweils rund sechs Millionen Euro in den Erwerb und die Infrastruktur investiert. Zusätzlich stellten Stadt und Kreis jeweils weitere 600.000 Euro bereit, um Liquiditätsengpässe im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung am Standort zu überbrücken.
Diese Mittel fließen nicht als monatlicher Zuschuss an den Betreiber – sie sichern jedoch das Fundament des gesamten Modells. Ohne Gebäude, ohne Infrastruktur, ohne öffentlich finanzierte Absicherung gäbe es kein regionales Gesundheitszentrum. Der private Betreiber nutzt eine von der öffentlichen Hand geschaffene und getragene Struktur.
In Niedersachsen erfolgt Krankenhausfinanzierung unabhängig von der Trägerschaft. Auch private Betreiber können Teil der staatlichen Krankenhausplanung werden und über Investitionsprogramme des Landes gefördert werden. Niedersachsen stellt dafür jährlich hohe zweistellige bis dreistellige Millionenbeträge bereit. Förderfähig sind Investitionen in Gebäude, Umbauten, technische Ausstattung und strukturelle Anpassungen.
Darüber hinaus sieht das niedersächsische Krankenhausrecht ausdrücklich Ausgleichszahlungen vor, wenn Krankenhäuser geschlossen oder in andere Versorgungsformen überführt werden. Die Umwandlung kleiner Standorte in regionale Gesundheitszentren ist politisch gewollt und förderfähig. Ergänzend existieren Programme für sektorenübergreifende Versorgung, etwa im Rahmen der niedersächsischen Gesundheitsregionen, die gezielt Projekte und Netzwerke unterstützen.
Auch auf Bundesebene wird diese Logik fortgeschrieben. Mit der Krankenhausreform und dem geplanten Transformationsfonds sollen Standorte umgebaut, konzentriert oder neu ausgerichtet werden – finanziert aus öffentlichen Mitteln. Ob diese Gelder direkt an Betreiber ausgezahlt oder über Länder und Strukturen geleitet werden, ändert nichts an der grundlegenden Tatsache: Öffentliche Finanzierung ist integraler Bestandteil solcher Modelle.
Was bedeutet das für Holzminden?
Wenn der Landkreis schreibt, es fließen „keine öffentlichen Mittel“ in das RGZ, kann das im engsten Sinne bedeuten: Es gibt keinen direkten Betriebszuschuss. Es beantwortet jedoch nicht die zentrale Frage, die die Öffentlichkeit interessiert: Wie viel öffentliche Verantwortung und wie viel öffentliches Geld stecken trotzdem in diesem Modell – über Gebäude, Planung, Landesförderung und Umwandlungsmechanismen?
Genau zu diesen Fragen verweigert der Landkreis eine inhaltliche Auskunft. Zu Verträgen, Entscheidungsgrundlagen und Strukturen will man sich nicht äußern. Gleichzeitig werden Millionen aus öffentlicher Hand eingesetzt, um den Standort überhaupt erst möglich zu machen.
Die Rolle von Tobias Orthmann im Netzwerk
Solche Strukturen scheinen auf den ersten Blick hochkomplex zu sein. Das sind sie auch. Doch ein zentrales Merkmal des von Tobias Orthmann geprägten Konstrukts, das nun das holzmindener RGZ betreibt, ist die personelle Bündelung von Entscheidungsgewalt. Nach öffentlich einsehbaren Gesellschaftsverträgen, Handelsregistereinträgen und Organstrukturen ist Orthmann in mehreren der beteiligten Gesellschaften nicht nur beteiligt, sondern als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter eingesetzt. In dieser Funktion kann er grundlegende Entscheidungen eigenständig treffen – etwa zu Vertragsbeziehungen, internen Leistungsverrechnungen, Managementstrukturen oder der Ausrichtung einzelner Standorte. Die Entscheidungswege sind dadurch kurz, aber hochgradig zentralisiert. Kontrolle durch kommunale Akteure oder öffentliche Gremien ist – soweit aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich – juristisch nicht vorgesehen.
Auch das ist rechtlich sauber. Führt jedoch dazu, dass Verantwortung nicht breit verteilt, sondern bewusst gebündelt wird. Für Kommunen und Landkreise bedeutet das: Wer mit solchen Strukturen kooperiert, überträgt faktisch einen erheblichen Teil der Steuerungshoheit über einen öffentlich relevanten Gesundheitsstandort auf eine einzelne Person – unabhängig davon, wie viele operative Gesellschaften oder lokale Geschäftsführer nach außen auftreten.
Peter Drews, Pressesprecher des Landkreis Holzminden, legt das Verständnis von Verantwortung des Landkreises schriftlich gegenüber dem Vogtlandstreicher offen: “Zu einer Betreiber-, Beteiligungs- und Verwaltungsstruktur können und wollen sowohl die Stadt Holzminden als auch der Landkreis keinerlei Aussagen machen…”
Verantwortung, Kontrolle und Gemeinwohl als offene Fragen
Der Fall Schleiz zeigt, was passieren kann, wenn operative Verantwortung, wirtschaftliche Steuerung und öffentliche Finanzierung auseinanderfallen. Die Antworten aus Holzminden machen deutlich, dass diese Trennung nicht zufällig entsteht, sondern politisch akzeptiert wird.
Die entscheidende Frage ist daher nicht zuletzt, von wem öffentliches Geld überwiesen wird. Die entscheidende Frage ist, wer am Ende Verantwortung trägt, wenn durch diese Modelle finanzielle Mittel umgeleitet werden und ein Gesundheitsstandort scheitert, der ohne öffentliche Vorleistungen nie existiert hätte.
Quellen:
- Handelsregisterauszüge und Gesellschaftsunterlagen
MVZ Weserbergland GmbH, RGZ Holzminden GmbH sowie verbundene Gesellschaften; ausgewertet über North Data (Recherchezugang), basierend auf öffentlich einsehbaren Registerdaten (Handelsregister, Gesellschafterlisten, Geschäftsführerbestellungen, Satzungen). - Gesellschaftsverträge und Satzungen
Satzung und Gesellschaftsvertrag der MVZ Weserbergland GmbH; Analyse der Regelungen zu Gesellschaftszweck, Beteiligungsstruktur, Geschäftsführungsbefugnissen (§ 181 BGB), Kontroll- und Mitwirkungsrechten. - Insolvenzunterlagen
Insolvenzverfahren der Sternbach-Klinik Schleiz GmbH; öffentlich zugängliche Verfahrensinformationen, Registereinträge und bekanntgemachte Beschlüsse. - Land Thüringen
Öffentliche Mitteilungen zur finanziellen Stabilisierung des Klinikstandorts Schleiz (Bereitstellung von Landesmitteln im Jahr 2024). - Niedersächsisches Krankenhausrecht / Krankenhausfinanzierung
Landeskrankenhausplanung Niedersachsen; Investitionsförderung unabhängig von der Trägerschaft, Fördergrundlagen für Umbau, Strukturveränderungen und sektorenübergreifende Versorgung. - Bundesebene
Krankenhausreform und geplanter Transformationsfonds (öffentliche Ankündigungen, Gesetzesinitiativen und begleitende Erläuterungen). - Presseanfrage Vogtlandstreicher an den Landkreis Holzminden
Fragekatalog zu Betreiber-, Beteiligungs- und Vertragsstrukturen des Regionalen Gesundheitszentrums Holzminden.
Antwort der Pressestelle des Landkreises Holzminden vom 18.12.2025. - Erneute Nachfrage Vogtlandstreicher an den Landkreis Holzminden
Präzisierende Anschlussanfrage zu öffentlicher Finanzierung, Vertragsgestaltung und Rolle von Stadt und Landkreis.
Antwort der Pressestelle des Landkreises Holzminden vom 22.12.2025. - Presseanfrage Vogtlandstreicher an die Stadt Schleiz
Schriftlicher Fragenkatalog zur Versorgungslage, kommunalen Zuständigkeiten, Nachnutzung des Klinikstandorts und Notfallversorgung.
Anfrage vom 15.12.2025; Antwort von Bürgermeister Marco Bias (Stadt Schleiz) vom 18.12.2025.
Nach 20 Jahren Krieg, Krise und dem großen Ganzen journalistisch in das beschauliche Vogtland gewechselt. Ein Momentesammler und Geschichtenerzähler. Neugierig, nahe an den Menschen und manchmal ein bisschen frech. :) Autorenprofil/Vita
