“Das Wunder von Hof”: Theaterstück balanciert zwischen Klischee und Erinnerung

Titelfoto: Theater Hof – Das “Wunder von Hof” aktuell auf der Theaterbühne
Stille. Der Wind treibt einzelne bunt gefärbte Laubblätter durch die Halle. Klack. Der Zeiger der Bahnhofsuhr springt auf 6.14 Uhr. Vierzehn Minuten nach sechs ist es täglich auf der ganzen Welt. Doch mit einer Stadt ist diese Uhrzeit wohl für immer und ewig verbunden.

Im oberfränkischen Hof kam genau in diesem Moment am 1. Oktober 1989 der erste Sonderzug an, der Flüchtende aus der DDR brachte, die zuvor in der BRD-Botschaft in Prag Zuflucht gesucht hatten. Die Fahrt in den „Westen“ war allein deshalb mit großen Ängsten verbunden, weil seitens der DDR damals gefordert wurde, dass die Züge über ihr Territorium fahren mussten. Und so ging der Weg von Prag über Dresden und Plauen nach Hof.

Es klackert und rattert. Ein kleiner Knall reißt aus den Gedanken. Eine Coladose fällt in die Ausgabe des Bahnhofsautomaten.

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Die Bedeutung der Geschichte am Hofer Bahnhof

Weil Geschichte wichtig ist, soll am Hofer Bahnhof ein Film gedreht werden. Als Komparsen wurden Zeitzeugen angeheuert. Der Produzent (Peter Kampschulte) ein Oberfranke, selbst vor Ort damals. Das Haus seiner Eltern verkaufte er für die Finanzierung des Films. Ein Soap-Star (Maurice Daniel Ernst) und ein Tatort-Darsteller (Benedict Friederich) sollen zum Erfolg verhelfen. Eine junge Türkin ((Charlotte Kaiser), frisch von der Schauspielschule, hat ihre erste Rolle bekommen und darf gleich noch Regie-Assistentin dazu sein. Dem exzentrischen Regisseur (Oliver Hildebrandt) werden sie alle nicht gerecht. Da überzeugen auch nackte Tatsachen und ein herbei gekreischter Orgasmus nicht. Kompetenzgerangel: Künstlerische Freiheit kollidiert mit Erlebtem. Die Statisten (Anja Stange & Ralf Hocke) übernehmen.

Das Wunder von Hof: Vom Film zum Theaterstück

Das Wunder von Hof“, am Ende gar kein Fernsehfilm, sondern ein Theaterstück, feierte in Hof vor wenigen Tagen Premiere. Es ist nicht das erste Wendestück von Autor und Schauspieler Jörg Menke-Peitzmeyer. Schon vor 15 Jahren schrieb er für das Junge Ensemble Stuttgart eine Mauerfallgeschichte. Er reizt die Ost-West-Klischees aus. Typisch Ossi, typisch Wessi – Flachwitzalarm und in der ersten Hälfte schlägt sich das Stück vordergründig auf die Lachmuskeln des Publikums nieder. Unterstützt wurde dies mit ein paar lokalen Insidern – warum es der Wärschtlemo nicht auf die Ampel schaffte – und einer kleinen Dialekt-Debatte, bei der das Publikum helfen musste. Das Publikum übrigens, das jedes Mal tiefer in die Sitze rutschte, wenn es entweder seinen Platz für den Regisseur räumen, Sport machen oder einen Geldschein opfern musste.

Das Wunder von Hof
Rückblick und Fragen zum Wandel in Hof

Und dann waren sie da doch noch, die Momente und Fakten, bei denen man nickte. Die Erinnerungen, wie an genau diesem Tag vor 35 Jahren Kleidung und Kuscheltiere aus den Kinderzimmern gepackt und an den Bahnsteig getragen wurden. Die Momente von Zusammenhalt und Gemeinschaft. Aber auch die Frage, warum nichts in Hof an diese geschichtsträchtigen Momente erinnert und warum man sich fragen müsse, was im vereinten Deutschland, vor allem aber auch im Westen schiefgelaufen sei, wenn sich heute wieder Menschen nach dem „damals“ sehnen.

„Im zweiten Teil war es dann ja noch etwas tiefgründiger“, war das Resümee vieler Menschen im Foyer, die den Theatersaal nach mehr als zwei Stunden verließen.

Was bleibt von der Legende: Klischee oder Wahrheit?

Was Klischee und was Wahrheit ist, was wirklich geschah oder nach 35 Jahren verblasst, kann jede Zuschauerin und jeder Zuschauer für sich entscheiden. Ob Autor Jörg Menke-Peitzmeyer und der inszenierende Reinhard Göber absichtlich Brüche und Lücken entstehen ließen, bleibt möglicherweise ein künstlerisches Geheimnis. Dass das Schauspiel-Team keine leichte Aufgabe hat, in Hof, vor Hoferinnen und Hofern eine legendäre Hofer Geschichte zu spielen, steht außer Frage.

Die Übersicht zu den nächsten Vorstellungen hier.

Stephanie Rössel
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Seit fast zwei Jahrzehnten die neutrale Stimme im Vogtland. Mit Leidenschaft und Nähe zu Menschen und Themen, auch weit über die Region hinaus. Nah am Puls der Zeit. Und stets mit dem Anspruch, Politik zu lesen, Kunst und Kultur näher zu bringen und am Schleizer Dreieck nicht vom Bike zu fallen.