Titelbild: Panthera Leo | CC BY 4.0 – Spinnerei Neuhof
Die Spinnerei Neuhof in Hof, mit ihrem markanten Ziegelstein-Gebäude, hat in ihrer 125-jährigen Geschichte eine bedeutende Rolle in der lokalen Wirtschaft gespielt. Durch die Produktion von synthetischen Garnen und Zwirnen für verschiedene Branchen – von der Automobilindustrie bis hin zur Bekleidungsbranche – hat sich das Unternehmen einen soliden Namen aufgebaut. Doch nun steht der Betrieb vor der Insolvenz.
Stadt Hof schwer erschüttert von der Insolvenz
Bereits im Vorfeld wurde die Stadtverwaltung über die finanziellen Schwierigkeiten und die bevorstehende Insolvenz informiert. Dennoch ist die Bestürzung groß: Ein Unternehmen, das so tief in der Region verwurzelt ist und das Bild der Stadt Hof mitgeprägt hat, muss diesen drastischen Schritt gehen. Die Auswirkungen auf die Textilbranche in Hof sind enorm. “Die Schließung eines traditionsreichen Unternehmens wie der Spinnerei Neuhof, das innovative Produkte für verschiedenste Industrien gefertigt hat, trifft nicht nur die Belegschaft, sondern auch die gesamte Stadtgemeinde”, so die Einschätzung der Stadtverwaltung. Hof verliert mit der Spinnerei einen bedeutenden Teil seiner Identität als Textilstandort.
Insolvenzverfahren: Vom Neustart zur endgültigen Schließung?
Bereits im Mai 2023 hatte die Kanzlei Neef I Schwarz bekannt gegeben, dass die Spinnerei Neuhof einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt hat. Das Amtsgericht Hof ernannte Rechtsanwalt Gunter Neef zum vorläufigen Sachverwalter, und im September 2023 wurde das Verfahren offiziell eröffnet. Doch der erhoffte Neustart unter dem neuen Firmennamen “Die Spinnerei Neuhof GmbH & Co. KG” verlief nur kurzzeitig erfolgreich. Am 1. November des Vorjahres startete das Unternehmen mit neuer Führung aus der Insolvenz heraus dann nochmal durch – doch jetzt, nach einem Jahr, zeichnet sich ab, dass es keinen Weg aus der Krise gibt.
Restrukturierung und Krisenjahre
Bereits seit 2016 befand sich die Spinnerei Neuhof in einem umfassenden Restrukturierungsprozess. Damals wurde das Unternehmen durch den Kauf der Färberei Oberfranken, die bereits im März dieses Jahres gelöscht wurde, finanziell stark belastet. Zudem erwiesen sich einige Verträge, insbesondere mit italienischen Kunden, als unrentabel. Diese Faktoren brachten die Spinnerei zunehmend in finanzielle Schieflage (die Bilanzen bis 2022 liegen dem Vogtlandstreicher vor). Durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen gelang es zunächst, die Lage zu stabilisieren.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg verschärften die Situation jedoch. Steigende Energiekosten und zunehmender Wettbewerbsdruck waren für das ohnehin angeschlagene Unternehmen kaum noch zu kompensieren. Besonders hart traf die Spinnerei Neuhof der Einbruch im Marktsegment Heimtextilien, nachdem der wichtigste Kunde wegfiel. Trotz staatlicher Coronahilfen in Höhe von knapp 356.000 Euro, die 2021 bereitgestellt wurden, konnte der Verlust nicht ausgeglichen werden.
Oberbürgermeisterin Döhla äußert sich betroffen
Die Insolvenz trifft nicht nur die Stadt, sondern vor allem die rund 100 Mitarbeitenden des Traditionsbetriebs. Auch Oberbürgermeisterin Eva Döhla äußerte sich tief betroffen: „Besonders bedrückend ist der Gedanke, dass die Belegschaft, die sich stets als eine ‚Spinnereifamilie‘ verstanden hat und gemeinsam durch schwierige Zeiten gegangen ist, nun vor einer ungewissen Zukunft steht. Auch wenn dies ein harter Schlag ist, hoffe ich, dass sich neue Perspektiven eröffnen. Wir werden die Entwicklungen aufmerksam verfolgen.“
Unterstützung durch das Jobcenter
Um den betroffenen Mitarbeitenden der Spinnerei Neuhof zu helfen, steht die Stadt Hof in engem Kontakt mit dem Jobcenter Hof. Erste Einschätzungen zeigen, dass die Chancen prinzipiell gut stehen, die Mitarbeitenden anderweitig unterzubringen.
Insolvenzwelle in der Modebranche
Die Insolvenz der Spinnerei Neuhof reiht sich in eine größere Entwicklung in der deutschen Mode- und Textilbranche ein. 2023 verzeichnete die Branche 33 Insolvenzen umsatzstarker Unternehmen – dreimal so viele wie im Vorjahr. Auch in der Textilindustrie sind die Zahlen der Insolvenzen erstmals seit 2020 wieder deutlich angestiegen.
Info: Textilbranche und Modeindustrie – Insolvenzen treffen Hersteller und Händler
Die Insolvenzkrise hat nicht nur Modehändler wie Esprit getroffen, sondern auch die produzierende Textilindustrie stark belastet. Neben Einzelhändlern wie GALERIA, Hallhuber, SiNN und Appelrath Cüpper leiden auch Hersteller wie PICARD (Taschen) und HILTL (Hosen) unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Besonders unabhängige Textilproduzenten und Boutiquen stehen oft still und unbemerkt vor dem Aus, wenn sie ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können.
Die Krise geht jedoch weit über die Mode hinaus: Branchen wie die Metallverarbeitung, der Maschinenbau und die Automobilzulieferer sind ebenfalls von der steigenden Zahl an Großinsolvenzen betroffen. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Falkensteg stieg die Zahl der Insolvenzen mit einem Umsatz über zehn Mio. Euro im ersten Halbjahr 2024 um 41 %. Dieser Trend wird voraussichtlich bis 2025 anhalten. Dies stellt eine große Bedrohung für die gesamte Textilbranche dar, da sowohl Hersteller als auch Händler eng miteinander verbunden sind.
Keine Mitteilung aud der offiziellen Website der Spinnerei
Ein kleiner Fakt am Rande: Wenn man sich auf www.spinnerei-neuhof.de umsieht, findet man dort bis zum heutigen Tag keinerlei Informationen zu der bevorstehenden Insolvenz. Ebensowenig auf den SocialMedia-Accounts der Spinnerei.
Nach 20 Jahren Krieg, Krise und dem Großenganzen journalistisch in das beschauliche Vogtland gewechselt. Ein Momentesammler und Geschichtenerzähler. Neugierig, nahe an den Menschen und manchmal ein bisschen frech. :) Folge mir doch auf X (ehemals Twitter)