Heinrich-Braun-Klinikum: So sieht der neue Klinikplan für Zwickau aus

Titelfoto: HBK – Standort Karl-Keil-Straße
Ein Krankenwagen fährt an der Klinik an der Werdauer Straße vor, die Türen klappen auf, zwei Sanitäter bringen einen Patienten in die Notaufnahme. Für viele Menschen im Südwesten Zwickaus wirkt diese Szene wie etwas, das es schon immer gab und immer geben wird. Doch genau an diesem Punkt wird sich etwas ändern. Das Heinrich-Braun-Klinikum – eines der größten kommunalen Krankenhäuser in Sachsen – richtet seine Standorte neu aus.

Ab April 2026 zieht ein Teil der Akutmedizin an die Karl-Keil-Straße um. Die Innere Medizin, die Intensivstation, die Neurologie und auch die Notaufnahme verlassen die Werdauer Straße. Dort entsteht statt eines Akuthauses künftig ein orthopädisches Fachkrankenhaus, flankiert von Schmerztherapie, ambulanten OP-Zentren und mehreren neuen Facharztpraxen. Für viele Menschen bedeutet das einen tiefen Einschnitt: Ihre vertraute Notaufnahme wird es so nicht mehr geben.

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Foto: HBK – Standort Werdauer Straße
Die Logik der neuen Krankenhausreform

Das Klinikum begründet die Neuausrichtung mit der großen Krankenhausreform der Bundesregierung. Diese Reform, verankert im Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, verändert das System grundlegend. Statt vieler kleiner Angebote an vielen Standorten soll es künftig weniger, dafür spezialisierte und gut ausgestattete Bereiche geben.

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Im Zentrum stehen sogenannte Leistungsgruppen, etwa für die Schlaganfallversorgung, die Notfallmedizin, die Innere Medizin oder die Intensivmedizin. Jede Leistungsgruppe verlangt klare Mindeststandards: 24-Stunden-Fachärzte, definierte Geräte wie CT und MRT, eine ausreichende Zahl an Intensivbetten, belegbare Mindestfallzahlen, spezifische pflegerische Qualifikationen und einen klaren organisatorischen Rahmen.

Für die Werdauer Straße wäre das nach Darstellung des Klinikums künftig nicht mehr erfüllbar. Das HBK verweist in seiner Mitteilung darauf, dass die Umsetzung aller notwendigen strukturellen, technischen und personellen Voraussetzungen für die internistische Notfallmedizin und die spezialisierte Schlaganfallversorgung an diesem Standort ‚weder organisatorisch noch wirtschaftlich darstellbar‘ sein wird. (Update: 25.11.2025)

Die Karl-Keil-Straße hingegen erfüllt so gut wie alle Voraussetzungen. Dort stehen moderne Stationen, eine leistungsfähige Radiologie, ein großer OP-Trakt, eine etablierte Stroke Unit und die nötige Infrastruktur, um die neuen gesetzlichen Anforderungen vollständig abzudecken.

Warum das Finanzbild den Umbau notwendig macht

Wer das HBK verstehen möchte, muss in die Zahlen schauen. Die Konzernabschlüsse der letzten Jahre erzählen eine Geschichte, die viele Kliniken im Land teilen.

Zwischen 2019 und 2023 stieg der Umsatz des Konzerns von 246,9 Millionen Euro auf 335,1 Millionen Euro. Eine beachtliche Steigerung, getragen von zusätzlichen Leistungen, der Integration der ehemaligen Paracelsus-Klinik, steigenden Fallzahlen und höheren Vergütungen. Doch im selben Zeitraum explodierten die Kosten.

Der Personalaufwand kletterte von 159,6 Millionen Euro (2019) auf 222,7 Millionen Euro (2023). Das ist ein Plus von rund 40 Prozent. Gleichzeitig wuchs der Personalbestand von 2733 auf 3202 Beschäftigte. Noch deutlicher als die Zahl der Mitarbeitenden stiegen die Ausgaben pro Kopf: von 58.390 Euro im Jahr 2019 auf 69.546 Euro im Jahr 2023. Dahinter stehen Tarifsteigerungen, Fachkräftemangel und steigende Zuschläge.

Auch der Materialaufwand entwickelte sich dramatisch: von 57 Millionen Euro im Jahr 2020 auf 83,3 Millionen Euro im Jahr 2023 – ein Anstieg um 46 Prozent in nur drei Jahren. Energie, Medikamente und medizintechnische Komponenten verteuerten sich so stark, dass viele Häuser an ihre wirtschaftliche Grenze stoßen.

Bis 2022 schaffte es das HBK immerhin, trotz aller Belastungen schwarze Zahlen zu schreiben. Die Gewinne lagen zwischen 4,4 und 6,5 Millionen Euro und schrumpften 2022 auf nur noch 482.000 Euro – ein praktisch ausgeglichenes Ergebnis. Doch 2023 kippte die Kurve: ein Verlust von 2,89 Millionen Euro.

Die Eigenkapitalquote liegt weiterhin bei über 33 Prozent, die Bilanzsumme beträgt solide 373 Millionen Euro. Trotzdem ist klar: Das HBK kann nicht mehr beliebig viele Doppelstrukturen halten. Jede doppelte Notaufnahme, jeder zweite neurologische Bereitschaftsdienst, jede doppelte Intensivbereitschaft kostet Millionen.

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Grafik: Jürgen Dirrigl – Vogtlandstreicher
Wie die Reform Druck erzeugt – und welcher Spielraum bleibt

Die Reform verändert nicht nur die medizinischen Regeln, sondern auch das Finanzierungssystem der Kliniken. Ein wichtiger Bestandteil ist die sogenannte Vorhaltevergütung. Damit ist Geld gemeint, das ein Krankenhaus künftig dafür bekommt, bestimmte wichtige Bereiche – etwa eine Notaufnahme oder eine Schlaganfalleinheit – rund um die Uhr bereit zu halten. Dieses Geld gibt es unabhängig davon, wie viele Patienten tatsächlich kommen. Es soll helfen, die teuren Bereitschafts- und Dienststrukturen zu finanzieren. Erfüllt ein Standort jedoch nicht alle vorgeschriebenen Kriterien, fällt dieser Zuschuss weg. Der restliche Teil der Bezahlung bleibt wie bisher abhängig von den einzelnen Behandlungen. Doch genau dieser Teil deckt die tatsächlichen Kosten schon seit Jahren nicht mehr vollständig – besonders in Zeiten hoher Preise wie im Jahr 2023.

Gleichzeitig öffnet die Reform neue Türen. Aus dem Transformationsfonds können Kliniken Fördergelder erhalten, wenn sie Strukturen umbauen, Leistungen bündeln oder Standorte umwidmen. Für das HBK ist die Bündelung an der Karl-Keil-Straße nicht nur eine medizinische Entscheidung, sondern auch ein finanzieller Schritt, um diese Mittel nutzen zu können.

Dass die Neuausrichtung nicht nur eine Idee, sondern faktisch beschlossen ist, bestätigt das Klinikum auf Nachfrage:

„Die strategische Neuausrichtung der Zwickauer Standorte wurde am 13. November 2025 seitens des HBK-Aufsichtsrates beschlossen. Wir treten nun in die konkrete Planungsphase ein und gehen ab Mitte April schrittweise in die Umsetzung.“

Damit erklärt sich auch, warum das HBK baut. Auf dem Klinikgelände sollen noch in diesem Jahr rund 240 neue Stellplätze für Mitarbeitende gebaut werden; die entsprechenden Vorbereitungen sind bereits eingeleitet. Weitere Investitionen sind geplant. Die Klinik hat Förderanträge aus dem Transformationsfonds gestellt, weil der Umbau der künftig einzigen großen Akutklinik in Zwickau modern, leistungsfähig und zukunftssicher sein muss.

Die wichtigsten Änderungen auf einen Blick

Zwei Standorte – neue Rollenverteilung

  • Ab April 2026 zieht die Akutmedizin an die Karl-Keil-Straße um.
  • Betroffen sind: Innere Medizin, Intensivstation, Neurologie und die Notaufnahme.

Neuausrichtung Werdauer Straße

  • Die Werdauer Straße wird zu einem orthopädischen Fachkrankenhaus umgebaut.
  • Ausbau von Schmerztherapie, ambulanten OP-Zentren und mehreren neuen Facharztpraxen.
  • Geplant ist ein sektorenübergreifendes Zentrum mit zusätzlichen ambulanten Angeboten.

Notaufnahme

  • Die Notaufnahme an der Werdauer Straße schließt vollständig.
  • Akute Notfälle werden künftig ausschließlich an der Karl-Keil-Straße versorgt.

Hintergrund der Entscheidung

  • Die Krankenhausreform fordert höhere Mindeststandards für Leistungsgruppen.
  • Kostensteigerungen seit 2019: Personal +40 %, Material +46 %.
  • 2023 verzeichnet das HBK ein deutliches Defizit.
  • Doppelstrukturen wie parallele Notaufnahmen und Bereitschaftsdienste sind wirtschaftlich nicht mehr tragbar.

Zukunftsstrategie und Investitionen

  • Nutzung des Transformationsfonds zur Finanzierung des Umbaus.
  • Karl-Keil-Straße wird zur einzigen großen Akutklinik Zwickaus ausgebaut.
  • Rund 240 neue Stellplätze und modernisierte Infrastruktur sind geplant.
  • Arbeitsplätze sollen erhalten bleiben; Mitarbeitende wechseln an den neuen Standort.
Die Frage nach einem kommunalen Klinikverbund

Parallel zur HBK-internen Strukturreform wird im Landkreis Zwickau über die Option eines kommunalen Klinik- und Pflegeverbundes diskutiert – das Modell: Ein gemeinsamer „Klinik- und Pflegeverbund Landkreis Zwickau gGmbH“, an dem der Landkreis alleiniger Träger sein soll. (Der Vogtlandstreicher berichtete bereits.)

Auch dazu bezieht das Klinikum gegenüber dem Vogtlandstreicher klar Position:

Wir stehen einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Landkreis Zwickau positiv gegenüber und sind bereit, die Gespräche mit Landrat Carsten Michaelis fortzusetzen.“

Und weiter:

„Mit der geplanten Neuausrichtung stärken wir einerseits unsere eigene Position und senden andererseits ein klares Signal, dass wir ein geeigneter Partner sind, um gemeinsam mit dem Landkreis die Gesundheitsversorgung planvoll und strategisch zu steuern.“

Damit ist deutlich: Die internen Reformen stehen einer späteren Integration in einen Verbund nicht entgegen, sondern verbessern die Anschlussfähigkeit bestenfalls.

Was das alles für die Menschen vor Ort bedeutet

Für die Menschen im Südwesten Zwickaus – also in den Stadtteilen rund um die Werdauer Straße, Marienthal, Schedewitz und die angrenzenden Orte Richtung Werdau – muss sich das, was da gerade mit ihrer gewohnten Klinik- und Notfallinfrastruktur passiert, ziemlich ungreifbar anfühlen. Ihre bisher wohnortnahe Notaufnahme fällt weg, und der Rettungsdienst muss künftig ausschließlich zur Karl-Keil-Straße im Nordwesten fahren. Aus einem bislang nur wenige Minuten langen Weg wird dadurch eine deutlich längere innerstädtische Blaulichtstrecke, die über mehrere dicht befahrene Hauptachsen führt. In akuten Notfällen zählt jedoch jede Sekunde.

Auch wenn das HBK rechtlich und fachlich korrekt argumentiert – und auch wenn die Karl-Keil-Straße zweifellos die höhere Leistungsfähigkeit bietet –, bleibt ein emotionales und praktisches Defizit: das Gefühl, dass ein Stück Versorgungssicherheit verschwindet.

Die Klinik betont, dass kein Arbeitsplatz verloren gehen soll. Die Mitarbeitenden sollen in ihren Teams bleiben und an den neuen Standort wechseln. Das ist ein starkes Signal für die Belegschaft, die in den letzten Jahren durch Pandemie, Personalmangel und Reformdruck ohnehin stark gefordert war.

Ein Standort wird neu definiert

An der Werdauer Straße entsteht dafür etwas Neues. Orthopädie und Schmerzmedizin gelten als Bereiche, die besonders von Spezialisierung profitieren. Sie sind planbar, sie haben hohe Qualitätsanforderungen und sie sind wirtschaftlich stabiler als eine rund um die Uhr arbeitende Notaufnahme.

Das ambulante Angebot soll wachsen: Mit einer neuen Gastroenterologie, einer Chirurgie mit D-Arzt-Zulassung und weiteren Angeboten soll die Werdauer Straße zu einem sektorenübergreifenden Zentrum werden, das ambulante und stationäre Leistungen bündelt. Genau diese Modelle sind es, die der Bund künftig besonders fördern möchte.

Ein System im Umbruch – und eine Region, die ihren Weg finden muss

Was hier in Zwickau passiert, ist ein Beispiel für eine Entwicklung, die sich gerade in ganz Deutschland zeigt. Die Krankenhauslandschaft ordnet sich neu – wie der Vogtlandstreicher bereits mehrfach berichtet hat. Große Kliniken bündeln, kleine Häuser werden spezialisiert oder verlieren ihre Notaufnahme, Regionen diskutieren über Erreichbarkeit, Rettungsfristen und Versorgungsrealität. Das sind die Zeichen einer neuen Epoche. Einer, die medizinisch notwendig, wirtschaftlich logisch und politisch gefordert ist – aber erst dann erfolgreich wird, wenn sie vor Ort wirklich funktioniert.


Vollständige Quellenliste (Recherche)
O-Töne

Anfrage des Vogtlandstreichers an das HBK und Antwort durch Cathleen Schubert, Leiterin Unternehmenskommunikation HBK (24.11.2025)

A. Offizielle Dokumente & Websites des HBK und der Stadt Zwickau
  1. Pressemitteilung zur Standort-Neuausrichtung des HBK (Strategische Ausrichtung Zwickauer Standorte, 17.11.2025)
    – veröffentlicht über die Stadt Zwickau
    https://www.zwickau.de/de/aktuelles/pressemitteilungen/2025/11/s119.php
  2. Original-Pressemitteilung auf der HBK-Website
    https://www.heinrich-braun-klinikum.de/neuigkeiten.php?id=1295
  3. HBK – Geschichte & Strukturentwicklung
    https://www.heinrich-braun-klinikum.de/geschichte.php
  4. HBK – Medizinische Einrichtungen Standort Werdauer Straße
    https://www.heinrich-braun-klinikum.de/medizinische-facheinrichtungen-standort-werdauer-strasse.php
  5. Pressemitteilung HBK – Einweihung Neubau Haus 1 (2025)
    (PDF über HBK-Downloadportal)
    https://www.heinrich-braun-klinikum.de/download.php?download=PI_2025_05_HBK_Einweihung_Neubau_Haus_1
  6. Pressemitteilung Stadt Zwickau – Bündelung der Unfallchirurgie (2023)
    https://www.zwickau.de/de/aktuelles/pressemitteilungen/2023/11/s68.php
B. Finanzquellen – NorthData / Jahresabschlüsse

Hier stammen alle Bilanzen, Kennzahlen und Finanzdaten her.

  1. NorthData – Jahresabschlüsse HBK gGmbH 2019–2023
    (Quelle aller verwendeten Finanzkennzahlen, inkl. Gewinn, Umsätze, EK-Quote, Material- & Personalaufwand)
    https://www.northdata.de (Eintrag: Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH)
C. Kommunale Hintergrundquellen
  1. Beteiligungsbericht Stadt Zwickau 2023
    https://www.zwickau.de/media/downloads/02_D2/03_finanzen/Beteiligungsbericht_2023.pdf
  2. Beteiligungsbericht Stadt Zwickau 2022
    https://www.zwickau.de/media/downloads/02_D2/03_finanzen/Beteiligungsbericht_2022.pdf
  3. Beteiligungsbericht Stadt Zwickau 2019
    https://www.zwickau.de/media/downloads/02_D2/03_finanzen/Beteiligungsbericht_2019.pdf
D. Berichte zur Paracelsus-Übernahme & Standorthistorie
  1. Freie Presse – „Paracelsus in Zwickau gehört jetzt dem HBK“ (2022)
    https://www.freiepresse.de/zwickau/zwickau/paracelsus-in-zwickau-gehoert-jetzt-dem-hbk-artikel12581496
  2. MedConWeb – Blogartikel zur HBK-Neuausrichtung 2026
    https://www.medconweb.de/blog/kliniknews/hbk-zwickau-standorte-neuausrichtung-akut-notfallmedizin-2026/
E. Systemische Hintergrundquellen (Krankenhausreform)
  1. Bundesgesundheitsministerium – Krankenhausreform (KHVVG, Leistungsgruppen, Vorhaltevergütung)
    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenhausreform
  2. Bundesgesundheitsministerium – KHAG (Krankenhausreform-Anpassungsgesetz, 2025)
    https://www.bundesgesundheitsministerium.de/krankenhausreform-anpassungsgesetz
  3. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) – Stellungnahmen zur Reform 2024/2025
    https://www.dkgev.de
  4. G-BA – Anforderungen an Stroke Units / Notfallstufen
    https://www.g-ba.de
F. Allgemeine Hintergrundquelle
  1. Wikipedia – Heinrich-Braun-Klinikum (Basisfakten, Historie)
    https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich-Braun-Klinikum
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Nach 20 Jahren Krieg, Krise und dem großen Ganzen journalistisch in das beschauliche Vogtland gewechselt. Ein Momentesammler und Geschichtenerzähler. Neugierig, nahe an den Menschen und manchmal ein bisschen frech. :) Autorenprofil/Vita