Fanfare Ciocărlia & Adrian Raso: „The Devil Rides Again“ – Wenn Balkan-Brass auf Rockjazz trifft

Titelfoto: Roland Barwinsky
The Devil Rides Again“ (Der Teufel reitet wieder) nennt sich das Album der längst nicht nur bei Insidern bekannten Roma-Blechbläser von Fanfare Ciocărlia. Unterstützt wurden die aus einem kleinen Dorf in Nordostrumänien stammenden Musiker dabei von dem kanadischen Musiker Adrian Raso. Und tatsächlich entsteht durch diese interkulturelle Liaison zwischen dem unüberhörbaren Spirit des Balkans und der filigranen Art der Moderne des Rockjazzers ein pittoresk-explosiver Klangteppich. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Umstand, dass alle Titel instrumental sind.

Oftmals wirken die Melodien melancholisch-verträumt – ja, wie eine ultimative Einladung, um ausgedehnte Reisen ohne konkreten Zielpunkt anzutreten. Klar, gefühlsbeladen ist das seit Anfang Mai vorliegende Angebot durch und durch. Irgendwie wirkt alles aber auch wie eine tönende Vision einer recht prickelnden und pulsierenden Welt, in der man die Probleme mithilfe der Musik erst einmal hinter sich lassen kann.

Das Gesamtkunstwerk ist auf diese Weise eine Art World Music, die aufmuntert und fast überall einsetzbar ist. Als Zuhörer begegnet man beispielsweise – nachdem sich zuvor die eher urbanen, folkgetränkten Töne verdichteten – plötzlich der Erbmasse von Steve Winwood. Der langjährige Frontmann der Spencer Davis Group kreierte einst „I’m a Man“. Die hier zu entdeckende Version wirkt frisch wie ehedem – geeignet als unausgesprochene musikalische Einladung zum Verweilen.

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Words and Wonders

Der Ausflug in die Rockgeschichte entpuppt sich jedoch nur als eine kurze Rast. Voller Hingabe wird nämlich, gefühlt dreieinhalb Sekunden danach, mit mehreren Titeln das Lebensgefühl Süditaliens (beispielhaft der Song „Tarantella Noir“) regelrecht zelebriert. Besondere Akzente setzt das kurz zuvor auf der CD geparkte „Blue Drag“, ursprünglich eine Kreation von Django Reinhardt. Besonders jetzt spürt der hörende Betrachter kulturelle Überschneidungen. Wuchs doch dieser Musiker einst unter prekären Verhältnissen am Rande von Paris auf und gehörte nicht zur Mehrheitsgesellschaft.

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Spätestens beim „Transylvania Twist“ ist der Ausgangspunkt der Fahrt durch die Welten des Balkanblues, Jazz und Rockabilly erreicht. Endlich ist man in einem verschlafenen, balkanischen Dorf angekommen – angeblich ein Ort weit weg von allem, was wirklich Spaß bereitet. Aber genau hier wurden die Aufführenden vor fast 30 Jahren entdeckt und enterten dann ungeniert und hochmotiviert en masse die Konzertbühnen fast aller Kontinente unseres Planeten. Nebenbei traf die Crew irgendwann einen Kanadier, der bei dieser Produktion weit mehr als nur kurze Zwischenspiele lieferte. An all das darf man gern denken, wenn die Titel loshüpfen, um mentale Nähe zu den Fans zu suchen.

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Roland Barwinsky
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