Titelfoto: Ben Wolf
Seit über 50 Jahren prägt Marianne Rosenberg die deutsche Musikszene – als Disco-Ikone, Schlager-Star, politische Stimme und Kämpferin für Sichtbarkeit. Mit 14 gewann sie einen Talentwettbewerb, 1970 erschien ihre erste Single „Mr. Paul McCartney“ – der Grundstein für ihre Karriere.
Mit Songs wie „Marleen“ oder „Er gehört zu mir“ hat sie ganze Generationen begleitet. Mit dem aktuellen Album „Bunter Planet“ geht sie Ende des Jahres auf Tour. Vorher gibt sie noch ein Konzert im Vogtland.
Über drei Jubiläen, Diskriminierung durch die Gesellschaft und ihr neues Album spricht sie im Interview:
55 Jahre auf der Bühne, 50 Jahre „Er gehört zu mir“ – und dazu noch ein runder Geburtstag. Drei große Jubiläen auf einmal. Welches bedeutet Ihnen persönlich am meisten?
55 Jahre auf den Brettern, die angeblich die Welt bedeuten sollen, hat mich selbst überrascht. Alles fühlt sich aber gut an und dabei bin ich auch ein bisschen stolz, dass es mir nach meiner ersten Karriere in den Siebzigern gelungen ist, als Frau, in einer immer noch von Männern dominierten Branche, selbstbestimmt zu arbeiten. Dass „Er gehört zu mir“ nach 50 Jahren noch so populär ist und fast zum deutschen Kulturgut gehört, wer hätte das gedacht. Diese Art der Musik, die ich damals präsentierte war ihrer Zeit jedoch weit voraus und sozusagen der erste deutsche Pop. Das Discofeeling und die orchestralen Arrangements waren sehr international angelegt. Der Geburtstag ist rund und die sieben vorn ist besonders, aber älter wird man ja von ganz allein.
Sie sagten kürzlich: „70 ist nur eine Zahl.“ Gleichzeitig erleben viele Frauen ab 50, dass sie gesellschaftlich unsichtbar werden. Was müsste sich in Medien, Musik und Gesellschaft ändern, damit das nicht so bleibt?
Wir Frauen müssen lernen selbstbewusst zu altern. Die Medien, die Musik, die Gesellschaft – das sind wir alle. Es ist nicht leicht, denn wir erfahren Abwertung und Diskriminierung durch die Gesellschaft, die hier mit zweierlei Maß misst. Die grauen Haare der Männer gelten als attraktiv, die der Frauen werden als Zeichen der Vergänglichkeit gewertet, man will sie nicht mehr mitspielen lassen. Das meinen die Frauen, wenn sie sagen, sie wurden unsichtbar. Sie meinen damit nicht, dass ihnen kein Mann mehr nachschaut, sondern, dass sie respektlos behandelt, nicht ernst genommen und ausgegrenzt werden. Für Frauen in der Öffentlichkeit, ist es noch einmal schwieriger, da gibt es quasi nur zwei Möglichkeiten. Entweder du verschwindest von der Bildfläche oder du legst dich unters Messer. Ich habe jedoch eine dritte entdeckt. Ich verleibe mir die positiven Attribute, die man gleichaltrigen Männern zuschreibt, ein: Reife, Erfahrung, Attraktivität. Ich denke an den Mann der mit 70 unser Land regiert oder an Rod Steward, der mit 80 auf Tour geht und sage mir, jetzt erst recht, kann ich auch, ich bin sichtbar. Jung ist nicht zwangsläufig gut und Alter ist nicht schlecht. Jede Zeit ist neu und will gelebt werden. Unsere Körper unterliegen einem ständigen Wandel und das geht bis zu dem Tag an dem wir sterben. Gleichzeitig werden wir immer älter. Wenn wir im Durchschnitt inzwischen 85 werden können, wäre Ende 40 (wo man ja als Frau schon aussortiert wird) ja fast die Mitte des Lebens. Von da an sollen wir uns dann unsichtbar fühlen? Frauen, lasst euch nie sagen, eure Zeit ist vorbei, mit 65 habe ich mein erstes Nr.1 Album gemacht!
„Bunter Planet“ ist Ihr Jubiläumsalbum. Nach welchen Kriterien wählen Sie Songs aus – was war Ihnen diesmal besonders wichtig?
“Bunter Planet” ist musikalisch eine Fortführung von dem Nr. 1 – Album „Im Namen der Liebe“. Ein Song muss es schaffen mich zu berühren. Ein Song kann noch so gut gemacht sein, wenn er nichts auf der Haut oder im Herz bewegt, entscheide ich mich für einen anderen – gleichgültig ob er von mir oder Kolleginnen geschrieben wurde. Ich liebe die wunderbaren Streicherpassagen gepaart mit Disco-Elementen auf „Bunter Planet“. Bei den Sounds ist es mir aber immer wichtig, aktuell zu sein. Wenn ich ins Studio gehe, habe ich immer eine genaue Vorstellung, wie es klingen soll. Dabei habe ich mit Alex Wende einen wirklich tollen Produzenten, der genau versteht was ich meine und das auch so umsetzen kann. Auch inhaltlich ist es eine Fortführung, denn es geht weiterhin um Menschlichkeit, Toleranz und Respekt – ganz gleich, woher die Menschen kommen, welche Hautfarbe oder welche sexuelle Orientierung sie haben und an welchen Gott sie glauben. Das spielt auf meinem bunten Planeten überhaupt keine Rolle.
Wie kam die Zusammenarbeit mit Conchita Wurst für die neue Version von „Er gehört zu mir“ zustande?
Ende des vergangenen Jahres gab es die TV-Show „Sing meinen Schlager“, bei der andere Kollegen meine Songs von den Siebzigern bis heute auf ihre Weise interpretiert haben. Das hat mich so beeindruckt und gerührt, dass ich einen Teil davon auf meine „Jubiläums-Edition“ vom Album „Bunter Planet“ holen wollte. Besonders überrascht hat mich Conchita Wurst mit ihrer Interpretation von „Er gehört“ zum mir. Da konnte ich die Tränen vor den laufenden Kameras nicht mehr unterdrücken. Dieser Song gehört allen und wird auch quer durch die Gesellschaft geliebt, aber Conchita hat auch noch mal die besondere Bedeutung für die queere Szene zum Ausdruck gebracht – und aus diesem Disko-Song eine Ballade gemacht. Das war mehr als beeindruckend und ich wollte den Song noch mal zusammen mit Conchita aufnehmen, was wir ja auch gemacht haben.
Wenn Sie heute noch einmal 20 wären – würden Sie wieder Sängerin werden? Oder gäbe es vielleicht eine ganz andere Richtung, die Sie reizt?
Heute und die 70er Jahre kann man sicher nicht vergleichen, aber ich bin – damals wie heute – mit Leib und Seele Musikerin und kann mir auch keinen schöneren Beruf vorstellen.
Gibt es einen Rat, den Sie Ihrem jüngeren Ich heute geben würden – mit Blick auf Karriere, Liebe oder das Leben an sich?
Ja, gib niemals auf an dich und deine Kreativität zu glauben. Da, wo die Industrie die Grenzen setzt, ist der Weg. Ansonsten muss jede und jeder seinen Weg finden und die Auseinandersetzungen führen, die ein selbstbestimmtes Leben, Lieben und Arbeiten möglich machen.
Haben Sie je darüber nachgedacht, sich künstlerisch radikal neu zu erfinden?
Mit meinem Jazz-Album „I’m a Woman“ und dem Elektro-Pop-Projekt „Schattenherz“ als auch mit verschiedenen Projekten oder Duetten über die Jahre, wie mit Extrabreit, Peter Heppner, Jan Plewka, Foyer de Artes, In Extremo, Schweisser, Eko, Ayman, Anette Louisan, Söhne Mannheims, Rio Reiser und Blixa Bargeld, habe ich mich meines Erachtens nach genug radikal und neu erfunden. Das war musikalisch wirklich spannend, aber ich war auch gespannt, wie meine Fans darauf reagieren. Meine Neugier und meine Kreativität als auch die Tatsache, dass ich ohne Musik nicht leben kann, motivieren mich immer wieder zu musikalischen Abenteuern.
Im November geht’s auf Tour, davor gibt’s ein Konzert in Bad Elster. Was erwartet das Publikum?
Natürlich spiele ich mit meiner Band die großen Klassiker und die neuen Hits, das Ganze eingebunden in ein dramaturgisches und musikalisches Konzept. Auf Bad Elster freue ich mich besonders, weil ich vor wenigen Jahren schon mal in diesem wunderschönen NaturTheater auftreten wollte, was aber leider nicht geklappt hat. Für die Tour habe ich mir Club-Konzerte gewünscht. In den großen Hallen kann man zwar mehr Licht und Effekte auffahren, aber das sollte nicht im Mittelpunkt stehen, denn es geht mir darum, meine Musik mit meinen Fans zu teilen und ihnen dabei in die Augen schauen zu können. Dabei verstehe ich mich als Gastgeberin, die sich sehr auf ihre Gäste freut. Ich freue mich auf einen gemeinsamen, unvergesslichen Abend mit meinem Publikum – in Bad Elster und auf der Tour.
Haben Sie eigentlich noch Lampenfieber?
Und ob ich Lampenfieber habe. Wenn einem die Menschen vor der Bühne nicht gleichgültig sind, dann will man immer sein Bestes geben. Es ist also der eigene Anspruch, vor dem ich kurz vor dem Auftritt, am Liebsten weglaufen würde. Aber einmal in die strahlenden Gesichter der Fans geblickt und spüren zu können, wie wir gemeinsam meine Songs erleben – und ich möchte nirgendwo anders sein, als genau da.
Gibt es eine Frage, die Sie sich in einem Interview gewünscht hätten bzw. selbst stellen würden?
Fragen die man sich selbst stellt, sind wichtig, aber anderer Art, als dass man sie sich selbst in einem Interview stellt.
Nachgefragt bei…Marianne Rosenberg
Lieblingsessen: Pasta |
Lieblingsmusik: Soul, Jazz, Klassik |
Lieblingswort: Herz |
Lieblingsort: Berlin |
Lieblingsmoment: Waldspaziergänge mit meiner Hündin |
Tickets für das Konzert am …… im NaturTheater in Bad Elster HIER.
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