109 Euro-Linienflüge ab sofort am Flughafen Hof-Plauen: So fliegen sie “auf Abruf”

Titelbild und alle Fotos in der Galerie: Jürgen Dirrigl
Am Flughafen Hof-Plauen herrscht heute Aufbruchsstimmung. Nach Jahren ohne reguläre Linienflüge hebt erstmals wieder ein Flugzeug zu einer festen Verbindung ab, doch das Konzept dahinter ist neu: FlyV bringt das Prinzip des „Fliegens auf Abruf“ in die Region – und das soll zukünftig elektrisch werden.

Die Jungfernflug-Cessna C208B Grand Caravan nach der Landung in Hof
Ein neuer Start für Hof

Mit rund einer halben Stunde Verspätung landete kurz nach 11:30 Uhr die erste Maschine aus Mönchengladbach, um kurz darauf um 13:30 Uhr wieder zurückzufliegen. Die Flugzeit beträgt 90 Minuten. Auf der offiziellen Buchungsseite waren beide Premierenflüge bereits mit dem Hinweis „No seats available“ markiert – ein starkes Signal zum Auftakt. Damit knüpft Hof an eine Zeit an, in der der Regionalflughafen mehr war als nur Standort für Geschäftsflüge oder Charterflüge.

Wie funktioniert das neue Modell?

Das Prinzip ist so einfach wie ungewöhnlich. Wer fliegen möchte, bucht seinen Platz mindestens eine Woche im Voraus über die Online-Plattform von FlyV. Sobald drei Passagiere fest zugesagt haben, gilt der Flug als bestätigt – unabhängig davon, wie viele Sitze am Ende tatsächlich besetzt sind. Der Preis bleibt dabei unverändert, auch wenn die Maschine nicht voll ausgelastet ist. Das Risiko trägt FlyV selbst. Für kleinere Regionalflughäfen wie Hof ist dieses Modell eine Chance, wieder an ein Flugnetz angeschlossen zu werden, ohne dass unrentable Leerflüge entstehen. Der FlyV-Founder Tomislav Lang erklärt die große Idee des StartUps: “Im Grunde wollen wir einen Mix aus Flixbus und Uber in die Luft bringen. Elektrisches Fliegen von Sylt bis zum Bodensee und zurück mit verschiedenen ‘Haltestellen'”. Spannend!

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Kleine Flugzeuge, große Wirkung

Geflogen wird derzeit noch mit kompakten Turboprops wie der Cessna Grand Caravan C208B oder der Tecnam P2012 Traveller. Beide Typen verfügen über maximal neun Sitze, kommen mit kurzen Start- und Landebahnen zurecht und eignen sich damit bestens für Hof. Gleichzeitig verbrauchen sie weniger Treibstoff als große Jets und gelten als vergleichsweise emissionsarm. Wirklich Vernünftig wird das aber erst dann, wenn es elektrisch und mit einem hohen Anteil an Erneuerbaren geht.

Ein Blick nach vorn

Noch im Herbst stehen weitere Ziele auf dem Plan. Bereits terminiert sind zwei Flüge im November zwischen Hof und Berlin-Strausberg. Darüber hinaus nennt der Flughafen mögliche weitere Destinationen wie Frankfurt-Egelsbach, Münster/Osnabrück oder Augsburg. Ob diese Routen tatsächlich in den Flugplan aufgenommen werden, hängt allein von der Nachfrage ab – genau darin liegt die Flexibilität des Systems. “Es hatte tatsächlich ein bisschen Privatjetfeeling”, erzählt Mario Arnold, der heute auf dem Jungfernflug dabei war. “Was klasse war, ist die schnelle Abfertigung sowohl in Mönchengladbach wie auch hier in Hof: hinkommen, einsteigen, ankommen und raus aus dem Flughafen – das hat jeweils keine zehn Minuten gedauert.”

Geschäftsführer/CEO des Flughafens Hof-Plauen, Ralf Kaußler, über Erwartungen, Chancen und Herausforderungen des Neustarts

Herzlichen Glückwunsch zum Linienstart! Welche Erwartungen für die Zukunft sind bei Ihnen daran geknüpft?

Wir hoffen natürlich, dass FlyV sich mit diesem Angebot am Markt etablieren kann. Für uns hat das Angebot eine symbolische Bedeutung, weil wir natürlich den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den Firmen der Region hier ein Angebot machen wollen. Wirtschaftlich hingegen hat das für uns sicherlich keinen großen Impact, dazu sind es insgesamt zu wenige Flüge.

2024 präsentierten FlyV und EMBRAER-X in Hof Elektrokonzepte; 2025 startet nun der Linienbetrieb zunächst konventionell (u. a. Cessna 208B, Tecnam P2012). Was hat den Ausschlag gegeben, zuerst mit klassischen Antrieben zu starten – und welche Meilensteine führen von dort zur elektrischen Flotte?

Noch fehlen Flugzeuge und Infrastruktur. Aber FlyV möchte in Zukunft auf jeden Fall elektrisch fliegen. Allein die Betriebskosten sind wesentlich günstiger als in dem jetzigen Konstrukt. FlyV hat aber auch festgestellt, dass es schwierig ist, sich eigene Flugzeuge zu kaufen, daher hat man sich nun Partner gesucht. In diesem Fall FlyYellow aus Passau, die diese Flüge für FlyV jetzt durchführen. Und das dann eben so schnell wie möglich elektrisch, um die Betriebskosten zu senken.

Nach Mönchengladbach (ab heute) und Berlin-Strausberg (ab November): Nach welchen Kriterien priorisieren Sie weitere Ziele wie Augsburg, Frankfurt-Egelsbach, Friedrichshafen oder Münster/Osnabrück? Welche Frequenzen peilen Sie mittelfristig an?

Die Flugstrecken, die kommen werden, finden danach statt, welche Buchungen eingehen. Aktuell kann man mit einer Woche Vorlauf buchen. Drei gebuchte Sitze sind dann nötig, damit der Flu im System feststeht. Nach Interesse der Kunden und der regionalen Wirtschaft werden sich die weiteren Ziele ergeben.

Welche realistischen Zeithorizonte sehen Sie für die Muster- und Betriebszulassung rein batterieelektrischer und hybridelektrischer Regionalflugzeuge – und welche Meilensteine (Testflüge, BMS-Nachweise, Ladeinfrastruktur auf den Plätzen) sind die größten Bremsklötze?

Zumindest hat die EASA jetzt schon mal einen Haken dahinter gemacht, dass man bei den Ladesteckern auf die Lösung geht, die sich im Kfz- und Lkw-Bereich bewährt haben. Wir haben jetzt gemeinsam mit den Flugplätzen Straubing, Augsburg, Kempten und Landshut das Pilotprojekt “E-Flugstrecke Bayern” ins Leben gerufen. Solche und ähnliche Projekte gibt es in den anderen Bundesländern ebenso – auch in den Niederlanden, wo man mittlerweile schon damit begonnen hat, die Infrastruktur aufzubauen. Es fehlen noch Regularien für die Feuerwehren und Flughäfen. Die Zertifizierung der Flugzeuge ist im Gange, aber nicht abgeschlossen und sehr unterschiedlich weit. Letztlich glaube ich, dass wir noch vor Ende der 2030er-Jahren einen elektrischen Regionalflieger in der Luft haben werden.

Der komplette Deep Talk mit Ralf Kaußler über die elektro Fliegerei: Hürden, Lichtblicke und Zukunftsperspektiven für Hof und die europäische Luftfahrt.


Zukunftsvision: Batteriebetrieben abheben

Ein großes Thema bleibt die E-Fliegerei. FlyV und der Flughafen Hof verweisen darauf, dass die Entwicklung batterieelektrischer Flugzeuge aufmerksam verfolgt wird. Doch noch ist Geduld gefragt: Mit heutiger Batterietechnik erreichen kleine Neunsitzer kaum mehr als 140 Kilometer Reichweite – für kurze Regionalflüge zwar interessant, für den täglichen Einsatz aber zu eingeschränkt. Erst mit einer Verdoppelung der Energiedichte könnten Strecken von bis zu 500 Kilometern realistisch werden. Hinzu kommen Hürden wie das hohe Batteriegewicht, die aufwendige Zertifizierung durch die europäische Luftsicherheitsbehörde EASA und die nötige Ladeinfrastruktur an Flughäfen.

Europäische Programme wie Clean Aviation streben an, bis 2030 erste Demonstrationsflüge zu ermöglichen. Ein breiter Serieneinsatz gilt jedoch erst in den 2030er-Jahren als realistisch. Für Hof bedeutet das: Die Perspektive ist greifbar, aber die Umsetzung liegt noch einige Jahre in der Zukunft.

✈️ Elektrisches Fliegen 2025 – Kurzüberblick

Wo stehen wir heute?
Erste elektrische Lufttaxis (Joby, Archer) sind kurz vor dem Start, in den USA ab 2026 realistisch. In Europa sind Vorreiter wie Volocopter und Lilium finanziell gescheitert. Für Regionalflugzeuge gibt es Prototypen: Hybrid-elektrische Flugzeuge (Kombination aus Turbine und Batterie) mit 9–30 Sitzen sind in Tests, komplett elektrische Modelle schaffen bisher nur sehr kurze Strecken.

Was klappt schon bald?
• Stadt–Umland-Flüge mit eVTOL (electric Vertical Take-Off and Landing, senkrecht startende elektrische Flugzeuge) ab Mitte der 2020er in Dubai geplant
• Regionale Kurzstrecken in Europa mit Hybrid-elektrischen Flugzeugen ab Ende der 2030er
• Erste kleine rein elektrische Linienflüge auf Distanzen <200 km

Wo hakt es?
Batterien sind zu schwer, altern schnell und brauchen starke Ladeinfrastruktur. Zulassung ist langwierig, es fehlt einheitliche Standardisierung bei Ladeanschlüssen.

Und die Langstrecke?
Mit Batterien nicht realistisch. Perspektive: nachhaltige Treibstoffe (SAF – Sustainable Aviation Fuel) und langfristig Wasserstoff (frühestens ab 2040).

Fazit: Kurzstrecke kann in den nächsten 15 Jahren elektrisch werden, Langstrecke bleibt vorerst klassisch – mit grünem Treibstoff.

Auf die Zukunft

Mit FlyV erlebt der Flughafen Hof-Plauen heute einen Neuanfang im Regionalflugverkehr. Noch sind es kleine Maschinen, kurze Strecken und ein ungewöhnliches Buchungsmodell – doch das Potenzial ist groß. Und während heute die ersten Linienflüge Richtung Mönchengladbach starten, deutet sich am Horizont bereits eine Zukunft an, die leiser, sauberer und elektrisch sein könnte.

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Nach 20 Jahren Krieg, Krise und dem Großenganzen journalistisch in das beschauliche Vogtland gewechselt. Ein Momentesammler und Geschichtenerzähler. Neugierig, nahe an den Menschen und manchmal ein bisschen frech. :) Folge mir doch auf X (ehemals Twitter)