40 Millionen für das Klinikum Fichtelgebirge – wie transparent ist der Einsatz öffentlicher Mittel?

Der Landkreis hat das kommunale Krankenhaus in wenigen Jahren mit rund 40 Millionen Euro gestützt – doch viele zentrale Fragen zu Zahlen, Strategie und Transparenz bleiben offen.

Das Klinikum Fichtelgebirge gehört dem Landkreis. Es ist kein privates Unternehmen, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wenn es Verluste macht, springt der Landkreis ein. In den vergangenen Jahren hat er das in erheblichem Umfang getan.

Rechnet man die öffentlich belegten Verlustübernahmen und Planwerte für die Jahre 2022 bis 2024 zusammen, kommt man auf eine Summe von rund 40 Millionen Euro, die der Landkreis zur Stabilisierung des Klinikums aufgebracht hat. Geld aus Steuermitteln, verteilt auf rund 70.500 Einwohner – rechnerisch etwa 570 Euro pro Kopf allein in drei Jahren. Für den Vater oder die Mutter einer vierköpfigen Familie entspricht dieser Betrag in etwa einem kompletten durchschnittlichen deutschen Monatsgehalt, das diese Familie innerhalb von drei Jahren erwirtschaftet und im Rahmen ihrer gesetzlichen Steuerzahlungen zur Finanzierung des Klinikums beigetragen hat – in die Finanzierung eines Klinikums, das gemessen am Case-Mix-Index von 0,763 (ausgewiesen im Haushaltsplan 2025 des Landkreises Wunsiedel i. Fichtelgebirge) deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt liegt und strukturell kaum hochkomplexe Behandlungsfälle erbringt. (zur Erklärung des Case-Mix-Index weiter unten mehr)

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Die entscheidende Frage lautet deshalb nicht mehr, ob das Klinikum Geld kostet. Sondern:
Was ist mit diesem Geld konkret passiert – und was hat es strukturell bewirkt?

Geld zur Verlustdeckung – nicht zur Erneuerung

Ein Blick in die Haushalts- und Beteiligungsunterlagen zeigt: Der überwiegende Teil der öffentlichen Mittel floss nicht in den Umbau oder die strategische Neuausrichtung des Klinikums, sondern in den Ausgleich laufender Verluste.

Im Jahr 2023 etwa erwirtschaftete das Klinikum ein Betriebsergebnis von rund –15,1 Millionen Euro. Der Landkreis übernahm diesen Verlust vollständig; die Verlustübernahme belief sich auf rund 15,77 Millionen Euro, sodass das Jahresergebnis des Klinikums bilanziell bei null Euro endete. Wirtschaftlich war das Defizit damit nicht beseitigt, sondern lediglich auf den Landkreis verlagert.

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Zum Verständnis der Dimension:
Die Gesamtbetriebsleistung des Klinikums lag 2023 bei rund 93,2 Millionen Euro, davon entfielen etwa 78,2 Millionen Euro auf Erlöse aus Krankenhausleistungen. Demgegenüber standen Personalkosten von rund 71,5 Millionen Euro. Das bedeutet: Schon geringe Erlösrückgänge oder Mehrkosten schlagen sofort mit mehreren Millionen Euro zu Buche.

Auch für 2024 wurde im Wirtschafts- und Nachtragsplan erneut mit einem negativen Jahresergebnis gerechnet. Bereits nach den ersten beiden Quartalen 2024 zeigte sich eine negative Planabweichung von rund 446.000 Euro, unter anderem durch steigende Kosten für ärztliche Honorarkräfte.

Das Geld diente damit vor allem dazu, den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten – Personal zu bezahlen, Rechnungen zu begleichen, Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Es war kein Investitionsprogramm für eine tragbare und grundlegende Neuausrichtung.

Personalkosten und Fallzahlen – rechnerisch plausibel, strukturell problematisch

Im Jahr 2023 beliefen sich die Personalkosten des Klinikums, wie bereits dargestellt, auf rund 71,5 Millionen Euro bei etwa 16.700 stationären Behandlungsfällen. Rechnerisch entspricht das Personalkosten von rund 4.300 Euro pro Fall. Dieser Wert ist für sich genommen nicht ungewöhnlich und liegt in einer Größenordnung, die auch in anderen Krankenhäusern erreicht wird. Entscheidend ist jedoch der Kontext: Das Klinikum behandelt überwiegend weniger komplexe, geringer vergütete Fälle, was sich im sehr niedrigen Case-Mix-Index von 0,763 widerspiegelt. Die personelle Grundausstattung – Pflege, ärztliche Bereitschaften, Notfallvorhaltung – muss jedoch unabhängig von der Fallkomplexität vorgehalten werden. Dadurch trifft eine vergleichsweise hohe Personalintensität auf eine unterdurchschnittliche Erlösstruktur. Wirtschaftlich problematisch wird dieses Verhältnis daher nicht wegen der Höhe der Personalkosten an sich, sondern weil die erzielten Erlöse pro Fall nicht ausreichen, um diese Kosten nachhaltig zu decken.

Liquidität statt Sanierung: Zahlen, die selten erklärt werden

Besonders deutlich wird die Lage beim Blick auf die Liquidität, also auf die Frage, ob jederzeit genug Geld vorhanden ist, um laufende Verpflichtungen zu erfüllen.

Im Jahr 2024 wurde der Kassenkreditrahmen des Klinikums von 15,5 Millionen Euro auf 36 Millionen Euro erhöht. Tatsächlich in Anspruch genommen waren bereits rund 24,7 Millionen Euro. Zusätzlich besteht ein Betriebskostendarlehen des Landkreises mit einem Rahmen von 27,8 Millionen Euro, von dem 15,5 Millionen Euro genutzt wurden.

Diese Zahlen erklären, warum in der öffentlichen Debatte teils deutlich höhere Summen kursieren als die reinen Jahresverluste. Es geht nicht nur um Defizite, sondern um Liquiditätsabsicherung, Kredite, Darlehen und Haftungszusagen – also um die fortlaufende Sicherung der Zahlungsfähigkeit.

Keine sichtbare Strategie, keine messbaren Ziele

Auffällig ist, dass trotz dieser Summen keine klar kommunizierten Strukturziele öffentlich dokumentiert sind. Weder in Haushaltsplänen noch in öffentlich zugänglichen Beschlüssen findet sich eine belastbare Antwort auf Fragen wie:

  • Welche konkreten Maßnahmen sollten mit den zweistelligen Millionenzuschüssen erreicht werden?
  • Welche Kostenstrukturen sollten dauerhaft gesenkt werden?
  • Welche Erlösbereiche sollten ausgebaut werden?
  • Welche wirtschaftlichen Kennzahlen sollten sich bis wann verbessern?

Stattdessen finden sich allgemein gehaltene Begriffe wie „Stabilisierung“, „Sicherung der Versorgung“ oder „Anpassung an Rahmenbedingungen“. Das mag politisch nachvollziehbar sein – ersetzt aber keine überprüfbare Strategie.

Umbau ja – aber vor allem als Rückzug

Dort, wo sich tatsächlich strukturell etwas verändert hat, handelt es sich vor allem um Leistungsrücknahmen. Der Standort Selb wurde schrittweise in Richtung ambulanter Versorgung umgebaut, stationäre Leistungen wurden konzentriert, Notfallstrukturen verändert.

Gleichzeitig zeigen die Leistungsdaten, dass das Klinikum 2023 rund 16.700 stationäre Fälle behandelte, bei einem Case-Mix-Index von 0,763. Dieser Wert beschreibt, wie aufwendig und komplex die behandelten Fälle im Durchschnitt sind. Ein Wert von 1,0 gilt als bundesweiter Durchschnitt. Liegt er darunter, bedeutet das: überwiegend weniger komplexe, geringer vergütete Behandlungen.

Der Case-Mix-Index hängt direkt mit dem DRG-System zusammen, also dem Abrechnungssystem der Krankenhäuser. Jeder stationäre Fall wird einer Fallgruppe zugeordnet, für die es einen festen Preis gibt. Komplexe Behandlungen bringen höhere Erlöse, einfache entsprechend niedrigere. Ein niedriger Case-Mix-Index bedeutet daher auch: geringere Erlöse pro Patient, selbst bei hoher Fallzahl.

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Der zentrale Widerspruch: Notfallargument und tatsächliche Behandlungsrealität

Genau an dieser Stelle entsteht ein prüfbarer Widerspruch. Kleine Kliniken werden häufig mit dem Argument verteidigt, sie seien unverzichtbar für die Versorgung schwerer, lebensbedrohliche erkrankter Patienten. Die vorliegenden Leistungskennzahlen zeigen jedoch, dass hochkomplexe Behandlungen – also genau jene Fälle, die besonders aufwendig und teuer sind – überwiegend nicht in solchen Häusern stattfinden.

Das ist kein Vorwurf, sondern systembedingt. Hochkomplexe Medizin konzentriert sich bundesweit auf größere Zentren. Kleine Kliniken übernehmen häufig eine Erstversorgung, Stabilisierung und Weiterleitung. Diese Rolle ist medizinisch sinnvoll – sie ist aber eine andere, als sie in politischen Debatten oft suggeriert wird.

Aufsichtsrat und Verwaltung: Kontrolle ohne sichtbare Kurskorrektur

Das Klinikum verfügt über einen Aufsichtsrat, dessen Aufgabe es ist, die Geschäftsführung zu kontrollieren und strategische Leitplanken zu setzen. Angesichts der Summen, die der Landkreis Jahr für Jahr zuschießt, stellt sich zwangsläufig die Frage, welche strukturellen Konsequenzen dort gezogen wurden.

Öffentlich feststellbar ist bislang vor allem eines:
Die Defizite wurden ausgeglichen, die Liquidität gesichert, die Kreditrahmen erweitert. Eine grundlegende Kurskorrektur, die das Klinikum mittelfristig aus der dauerhaften Zuschussabhängigkeit führt, ist nicht erkennbar.

40 Millionen Euro – und trotzdem dieselbe Debatte

Heute, nach Jahren hoher Zuschüsse, steht das Klinikum erneut vor denselben Fragen wie zuvor: steigende Defizite, hohe Personalkosten, wachsende Kreditlinien, unklare Perspektiven. Die öffentliche Diskussion kreist weiter um Sparen, Umstrukturieren und Rückbau.

Das wirft eine unbequeme, aber legitime Frage auf, die man seinen Bürgerinnen und Bürgern jederzeit verständlich beantworten sollte:
Wenn selbst rund 40 Millionen Euro in wenigen Jahren nicht ausreichen, um die Situation spürbar zu verbessern – wofür genau wurden sie eingesetzt?

Transparenz als Voraussetzung für Vertrauen

Niemand erwartet, dass ein kommunales Krankenhaus im ländlichen Raum Gewinne erwirtschaftet. Aber bei Summen dieser Größenordnung darf die Öffentlichkeit erwarten, dass klar erklärt wird:

  • welche Verluste konkret ausgeglichen wurden,
  • welche Risiken übernommen wurden,
  • welche Kennzahlen sich verbessert haben – und welche nicht,
  • und warum trotz massiver Zuschüsse keine nachhaltige Entlastung erreicht wurde.

Der Haushaltsplan des Landkreises Wunsiedel i. Fichtelgebirge ist öffentlich zugänglich und auf der Website des Landkreises abrufbar (Haushaltsplan 2025). Die bloße Veröffentlichung eines über tausend Seiten umfassenden, fachlich hochkomplexen Haushaltsdokuments stellt jedoch keine Transparenz her. Wenn zentrale Zahlen zur Klinikfinanzierung nur verstreut, technisch aufbereitet und ohne verständliche Einordnung auffindbar sind, wird Transparenz für Bürgerinnen und Bürger faktisch (und im besten Falle unbewusst) verhindert – nicht ermöglicht.

Solange also wirklich erklärente Antworten fehlen, entsteht zumindest der Eindruck, dass Steuergeld vor allem dazu dient, ein System am Laufen zu halten – nicht aber, es zukunftsfähig zu machen.

Zur Einordnung: Transparenz der Klinikleitung – Anspruch und Wirklichkeit

Was das Klinikum öffentlich einfordert
In einem am 4. Dezember 2025 veröffentlichten offenen Brief kritisiert der Ärztliche Direktor des Klinikums Fichtelgebirge die aus seiner Sicht „vereinfachende“ und „nicht ausreichend differenzierte“ Berichterstattung über die wirtschaftliche und strukturelle Lage des Hauses. Der Brief richtet sich ausdrücklich an Medien und fordert eine sachgerechte, tiefere Auseinandersetzung mit der Komplexität kommunaler Krankenhausfinanzierung.
➡️ Offener Brief abrufbar unter:
https://issuu.com/klinikum.fichtelgebirge/docs/offener_brief_frankenpost_04.12.2025

Was wir als journalistisches Medium getan haben
Der Vogtlandstreicher recherchiert und publiziert grundsätzlich tiefgründig und transparent. In diesem Sinne haben wir der Klinikleitung einen umfangreichen, klar strukturierten Fragenkatalog übermittelt. Darin wurden unter anderem abgefragt:

  • grundlegende Finanzkennzahlen der vergangenen Jahre,
  • Ursachen und Entwicklung der Defizite,
  • Auswirkungen des Rechtsformwechsels auf Transparenz und Veröffentlichungspflichten,
  • Rolle des Aufsichtsrates und der politischen Steuerung,
  • sowie strategische Perspektiven für eine nachhaltige Versorgung.

Der Fragenkatalog zielte ausdrücklich darauf ab, die vom Klinikum selbst eingeforderte Differenzierung und Transparenz herzustellen – auf Grundlage elementarer Steuerungs- und Führungsinformationen, die zur laufenden Aufgabenwahrnehmung jeder Klinikleitung gehören. Es wurden weder Spezialauswertungen noch außergewöhnliche Datenanforderungen gestellt, sondern Angaben, die für die wirtschaftliche und strategische Führung eines kommunalen Krankenhauses jederzeit verfügbar sein müssen.

Wie das Klinikum darauf reagiert hat
Mit E-Mail vom 12. Dezember 2025 teilte die Pressesprecherin des Klinikums mit, dass der Fragenkatalog nicht beantwortet wird. Zur Begründung führte sie an, der Umfang und die Tiefe der Fragen würden eine „sehr aufwändige Aufbereitung interner Daten“ erfordern, die die personellen Ressourcen des Hauses übersteige. Zudem gehe der Fragenkatalog über das Ziel des offenen Briefes hinaus, der bewusst keine detaillierte Offenlegung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen habe leisten wollen.

Inhaltlich geht die Antwort auf keine der konkret gestellten Fragen ein. Die Begründung bleibt allgemein und formal, ohne zu benennen, welche Punkte im Einzelnen nicht beantwortbar sein sollen. Statt konkreter Auskünfte verweist das Klinikum auf „allgemeine und öffentlich zugängliche Informationen“ zur Krankenhausreform und zur Situation kommunaler Kliniken.

Warum das relevant ist
Das Klinikum Fichtelgebirge befindet sich in kommunaler Trägerschaft und wird seit Jahren mit erheblichen Mitteln aus dem Kreishaushalt gestützt – nach öffentlich zugänglichen Planungen und Haushaltsunterlagen mit rund 40 Millionen Euro innerhalb von drei Jahren. Damit handelt es sich um Steuergeld, das der Öffentlichkeit grundsätzlich erklärungsbedürftig ist.

Vor diesem Hintergrund entsteht ein Spannungsverhältnis:
Während die Klinikleitung öffentlich differenzierte Berichterstattung einfordert und die Komplexität der Lage betont, lehnt sie gleichzeitig die Beantwortung eines detaillierten, auf presse­rechtlichen Grundlagen basierenden, Fragenkatalogs ab – obwohl dieser sich auf grundlegende, führungsrelevante Informationen beschränkt. Gerade diese Auskünfte wären Voraussetzung dafür, der Öffentlichkeit die eingeforderte Differenzierung überhaupt zu ermöglichen.

Zusätzlich könnte der Eindruck von Intransparenz durch den Rechtsformwechsel des Klinikums entstehen: Mit der Umwandlung von einer ehemals klassischen gGmbH in ein Kommunalunternehmen. (Am 09.12.2022 im Handelsregister eingetragen -Umwandlungsbeschluss 23.11.2022 – Handelsregistereintrag liegt dem Vogtlandstreicher vor)
Damit entfallen bestimmte handelsrechtliche Veröffentlichungspflichten, etwa die regelmäßige öffentliche Offenlegung vollständiger Jahresabschlüsse. Der Wechsel ist rechtlich zulässig, führt jedoch dazu, dass zentrale wirtschaftliche Kennzahlen für die Öffentlichkeit schwerer nachvollziehbar werden. Brisant ist dabei die zeitliche Überlappung: Im ersten vollen Geschäftsjahr danach verschlechterte sich das Betriebsergebnis 2023 gegenüber 2022 nachweislich deutlich (unter anderem verschlechterte sich das Betriebsergebnis von rund –11,4 Millionen Euro auf etwa –15,1 Millionen Euro). Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage an Bedeutung, in welchem Umfang das Klinikum bereit ist, Transparenz aktiv herzustellen oder eben direkt abzulehnen – gerade dort, wo formale Veröffentlichungspflichten nicht mehr greifen.

Die Frage, die sich daraus ergibt, ist weniger eine der Kommunikationsstrategie – sondern eine der Transparenz gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, die das Klinikum über Jahre hinweg finanzieren.

Gegenrechnung: Was hätte man mit 40 Millionen Euro im Gesundheitsbereich alternativ aufbauen können?

Um die Dimension greifbar zu machen, lohnt ein gedanklicher Perspektivwechsel. 40 Millionen Euro sind keine abstrakte Zahl – es ist eine Summe, mit der sich im Gesundheitsbereich eines Landkreises ganz konkret etwas aufbauen ließe.

Mit diesem Betrag hätte der Landkreis beispielsweise mehrere moderne Gesundheitszentren errichten können, verteilt über das Kreisgebiet – mit Hausärzten, Fachärzten, Physiotherapie, Pflegeberatung und ambulanter Diagnostik unter einem Dach. Der Bau eines solchen Zentrums liegt je nach Größe im niedrigen einstelligen Millionenbereich.

Ebenso hätte sich ein flächendeckendes Netz ambulanter Versorgungsangebote aufbauen lassen, etwa spezialisierte ambulante OP-Zentren, Kurzzeitpflege, geriatrische Tageskliniken oder mobile medizinische Dienste für ältere Menschen. Solche Strukturen sind darauf ausgelegt, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden oder zu verkürzen – und damit langfristig Kosten zu senken.

Mit 40 Millionen Euro ließen sich zudem dauerhaft medizinische Fachkräfte binden: über Anreizprogramme, Wohnraumförderung, Rückkehrmodelle oder tarifliche Zusatzleistungen. Auch die Notfall- und Rettungsstrukturen im Landkreis hätten gezielt gestärkt werden können – etwa durch zusätzliche Rettungswachen, Notarztstandorte oder telemedizinische Unterstützungssysteme.

All diese Maßnahmen hätten eines gemeinsam: Sie würden dauerhafte Strukturen schaffen, die nicht jedes Jahr neue Defizite produzieren, sondern Versorgung langfristig stabilisieren.

Genau an dieser Stelle setzt ein Denkansatz an, der in der medizinischen Fachwelt seit Jahren diskutiert wird. Studien zur Strategieentwicklung in kommunalen Krankenhäusern zeigen, dass tragfähige Versorgung im ländlichen Raum zunehmend über Vernetzung, Kooperation und ambulante Strukturen organisiert wird – nicht über den dauerhaften Erhalt jedes einzelnen Krankenhausstandortes mit vollständigem Leistungsspektrum.

Auffällig ist dabei: Nur ein vergleichsweise kleiner Teil kommunaler Krankenhäuser ist bislang in leistungsfähige Verbünde oder integrierte Versorgungsstrukturen eingebunden, obwohl diese Modelle als zentrale Voraussetzung für wirtschaftliche Stabilisierung gelten. Öffentliche Mittel könnten in solchen Konzepten gezielt eingesetzt werden, um dauerhafte Versorgungsketten aufzubauen – statt Jahr für Jahr Defizite einzelner Standorte auszugleichen.

Gute Versorgung im ländlichen Raum bedeutet in diesem Modell nicht, dass kleinere Standorte überflüssig sind. Sie behalten eine klar definierte Rolle: wohnortnahe Erstversorgung, Diagnostik und Stabilisierung. Hochkomplexe Behandlungen werden dort gebündelt, wo personelle, technische und fachliche Voraussetzungen dauerhaft vorhanden sind. Entscheidend ist, ob öffentliche Mittel dauerhaft in den Ausgleich von Defiziten fließen – oder gezielt in Strukturen investiert werden, die Qualität, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit miteinander verbinden.

Warum also handelt man trotzdem so? Eine mögliche Erklärung.

Warum also fließen Jahr für Jahr Millionen in den Erhalt defizitärer Krankenhausstrukturen, obwohl alternative Versorgungsmodelle längst bekannt sind? Die Antwort liegt weniger in medizinischen Notwendigkeiten als in den politischen und strukturellen Rahmenbedingungen kommunaler Gesundheitspolitik.

Krankenhäuser gelten als unverzichtbare Sicherheitsanker. Sie sichern Arbeitsplätze, symbolisieren staatliche Handlungsfähigkeit und stehen für das Versprechen, im Notfall erreichbar zu sein. Entsprechend hoch ist die politische Hemmschwelle, bestehende Strukturen grundlegend zu verändern. Der politische Schaden einer Standortschließung oder deutlichen Leistungsreduzierung ist unmittelbar sichtbar – der Nutzen eines Systemwechsels dagegen erst langfristig messbar.

Gleichzeitig tragen Landkreise als Träger eine besondere Verantwortung. Selbst wenn medizinische und wirtschaftliche Daten gegen den dauerhaften Betrieb sprechen, bleibt die Sorge, für Versorgungslücken verantwortlich gemacht zu werden. Die Folge ist ein Handeln nach dem Prinzip der Risikovermeidung: Defizite werden ausgeglichen, Zeit wird gewonnen, Entscheidungen werden vertagt.

Verschärft wird dieser Effekt durch die politische Steuerung kommunaler Kliniken. Studien zeigen, dass politischer Einfluss in Aufsichtsgremien notwendige wirtschaftliche Kurskorrekturen häufig verzögert. Eine vielzitierte Untersuchung der BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krankenhausinstitut (DKI) („Kommunale Krankenhäuser – Politische Einflussnahme erschwert wirtschaftlichen Erfolg“) kommt zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel der befragten Krankenhausgeschäftsführer politische Einflussnahme als klaren Nachteil für die wirtschaftliche Entwicklung ihres Hauses sieht.

Hinzu kommt eine strukturelle Pfadabhängigkeit: Gebäude, Fördermittelbindungen, Personalverträge und bestehende Versorgungsverträge schaffen Fakten, die sich nicht kurzfristig auflösen lassen. In dieser Gemengelage wird Geld eingesetzt, um bestehende Strukturen zu stabilisieren, nicht um neue aufzubauen.

Ein weiterer Befund aus diesen Untersuchungen: Dort, wo wirtschaftliche Entscheidungen stark von politischen Erwägungen überlagert werden, verschlechtern sich betriebswirtschaftliche Kennzahlen messbar. Wirtschaftliche Sanierung tritt dann hinter den kurzfristigen Erhalt bestehender Strukturen zurück – selbst wenn diese dauerhaft nicht tragfähig sind.

Hinzu kommt eine ausgeprägte Konsenskultur in kommunalen Krankenhausstrukturen. Entscheidungen werden häufig breit abgestimmt, Konflikte vermieden, Verantwortung kollektiv getragen. Das stabilisiert den Betrieb kurzfristig, erschwert aber grundlegende Richtungswechsel. Die Kosten eines Kurswechsels wären sofort sichtbar – die Vorteile erst Jahre später.

Diese Logik erklärt, warum Millionen fließen, ohne dass sich die grundlegende Situation verändert. Sie erklärt aber auch, warum Transparenz zur Schlüsselfrage wird. Denn wenn Steuergeld dauerhaft eingesetzt wird, um Zeit zu gewinnen, muss offen benannt werden, wofür diese Zeit genutzt werden soll – und ob sie zu einer tragfähigen Gesundheitsversorgung führt oder lediglich das bestehende defizitäre System füttert.

Wie es weitergeht

Dieser Beitrag bildet den Auftakt einer vertieften Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen und strukturellen Lage des Klinikums Fichtelgebirge. Auf Grundlage der hier dargestellten Zahlen und öffentlich zugänglichen Unterlagen haben wir dem Kreistag sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit gezielte Anfragen übermittelt.

Dem Klinikum selbst haben wir nach der Ablehnung eines umfangreichen Fragenkatalogs zusätzlich eine verkürzte Anfrage mit auf das Wesentliche reduzierten Kernfragen übermittelt, um erneut die Möglichkeit zu eröffnen, zentrale Punkte zur finanziellen Lage, zur strategischen Ausrichtung und -vorallem – zu künftigen Perspektiven transparent darzustellen.

Sobald entsprechende Antworten vorliegen, werden wir diese in einem weiteren Beitrag aufgreifen und den bisher recherchierten Fakten gegenüberstellen. Transparenz entsteht nicht durch das zurückhalten von Fakten, sondern durch nachvollziehbare Antworten.

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Nach 20 Jahren Krieg, Krise und dem großen Ganzen journalistisch in das beschauliche Vogtland gewechselt. Ein Momentesammler und Geschichtenerzähler. Neugierig, nahe an den Menschen und manchmal ein bisschen frech. :) Autorenprofil/Vita